Roadtrip to hell: vom Norden an Kretas Südküste

Während die Nordküste Kretas als touristisch komplett erschlossen gilt und die meisten Urlaubsorte durch eine moderne Schnellstraße gut zu erreichen sind, ist der Süden für seine raue Ursprünglichkeit und unentdeckte Schönheit bekannt. Für mich war also klar - nach ein paar Tagen im Nordwesten sollte es an die Südküste gehen. Selten habe ich in einem Mietwagen solche Todesängste ausgestanden. Welche Stationen absolut sehenswert sind, warum die Horrorfahrt es insgesamt wert war und was ich beim nächsten Urlaub auf Kreta anders machen würde, erfährst du hier!

Roadtrip Kreta: von Nordwest Nach Südost

Wie bereits im ersten Teil meines Reiseberichts über Kreta erläutert, hatten wir für unseren Urlaub auf Kreta zwei verschiedene Unterkünfte gebucht. Die erste im touristischen Norden, die zweite sollte im abgelegen Süden, in Lentas sein. Unterwegs wollten wir dann noch ein paar Sehenswürdigkeiten im Inland mitnehmen. Am Ende kamen wir auf folgende Route: Platanias - Therisso - Vámos - Kournas-See - Moni Arkadi - (Thronos) - Lentas. Nach 2 Tagen in Lentas wollten wir dann unserem Kreta-Urlaub beim Hippiefestival in Matala den krönenden Abschluss verleihen.

So viel sei gesagt: Die letzte Etappe unseres Roadtrips in den Süden Kretas  brachte uns so ziemlich an unsere Grenzen und auch Lentas war nicht so wie gedacht.  Wir lernten viel über die absolut nicht einheitlich Schreibung von Orten in Griechenland und unsere eigenen Ängste.

1. Etappe: Schlucht von Therisso

Mit richtig guter Laune aufgrund der wunderbaren Erfahrungen, die wir im Nordwesten von Kreta gemacht hatten, machen wir uns früh morgens in Platanias auf zu unserem Roadtrip durch Kreta. Unsere geplante Route kommt gerade einmal auf 188 Kilometer, Google Maps plant an reiner Fahrzeit allerdings über 4 Stunden. Wir denken uns nicht viel dabei und starten enthusiastisch Richtung Lefka Ori (Weiße Berge) zu unserem ersten Ziel: das Dorf Therisso samt Schlucht. Nachdem wir von der Schnellstraße abfahren, wird es schnell ländlicher, wir passieren hübsche kleine Dörfer, immer mit dem atemberaubenden Bergpanorama im Blick.

Die Lefka Ori stellen das größte Gebirgsmassiv auf Kreta dar und schrauben sich ganz schön in die Höhe. Der Pachnes ist mit 2454 Metern zwar nicht der höchste Berg der Insel, aber er kommt sehr nah dran. Die Straßen nach Therisso (auch Theriso oder Therissos) sind gut asphaltiert, schlängeln sich aber in endlosen Haarnadelkurven in die Höhe. Was uns auffällt ist auch die absolute Stille hier oben. Nur selten kommt uns ein Auto entgegen, was uns angesichts der durch die  meisten Griechen allzu großzügig genutzten Fahrspuren in Kurven eher erleichtert. Ohne Zwischenfälle kommen wir im Dorf Therisso, das in der Provinz Kydonia auf etwa 580 Metern Höhe liegt, an.

Der Ort und vor allem sein Dorfplatz spielte in der jüngeren Geschichte Griechenlands eine große Rolle und war gleich mehrfach ein Bollwerk kretischen Widerstands.  Im 19. Jahrhundert formierte sich in Therisso der Kampf gegen die langjährige türkische Herrschaft und Anfang des 20. Jahrhunderts startete man von hier aus die Revolution gegen das autokratische Regime unter Prinz Georg. Heute erinnert daran vor allem die Statue des Volkshelden Eleftherios Venizelos, der damals die Revolution ausrief und maßgeblich dazu beitrug, dass Kreta und Griechenland 1913 vereint wurden. Als Ministerpräsident sorgte er später für viele Reformen, darunter war auch die Einführung der Schulpflicht. Dass seine Idee eines Großreichs Griechenland ziemlich daneben ging, scheint hier kaum jemanden zu interessieren, denn noch heute verehrt man Venizelos wie einen Heiligen. Wenn du darauf achtest, wird der Name dir überall in Kreta und auch auf dem Festland begegnen, z. B: ist auch der Flughafen in Athen nach ihm benannt.


Im Zweiten Weltkrieg dauerte der Widerstandskampf gegen die deutsche Besatzung in Therisso bis zum Mai 1945 - so lange wie fast nirgendwo sonst in Griechenland. Der hiesige Stützpunkt der Volksbefreiungsarmee ELAS sowie die umliegenden Dörfer der Region waren immer wieder Angriffen und Vergeltungsschlägen ausgesetzt. Schwer vorstellbar ist diese blutige Vergangenheit, wenn man sich heute in dem verschlafene Bauerndorf umsieht. Aber angesichts der großen Geschichte dieses 100-Seelen-Ortes verwundert es nicht, dass es hier gleich zwei Museen gibt. Im einstigen Hauptquartier von Venizelos in Therisso kannst du dich über die Bewegung von Therisso informieren  und einige persönliche Gegenstände von ihm bewundern.

Im Museum des Nationalen Widerstands hingegen gedenkt man dem kretischen Widerstand zwischen 1941 und 1945. Auch wir wollen hier vorbeischauen, leider kommen wir nicht hinein,  die Türen sind verschlossen. Im Netz hatte ich zuvor zwar recherchiert, dass das Museum keine festen Öffnungszeiten hat und man in der Nachbarschaft einfach nach dem Schlüssel fragen soll, da wir aber weit und breit niemanden finden können, begnügen wir uns mit den Ausstellungsstücken draußen.


Wer des Griechischen mächtig ist, kann im Dorf wahrscheinlich noch viel mehr Spannendes entdecken. Für uns gibt es während des kurzen Spaziergang die Hauptstraße entlang sonst nichts mehr Aufregendes zu sehen. Trotzdem genießen wir unsere Zeit an diesem idyllischen, unverfälschten Fleckchen.


Auf Kreta gibt es viele wirklich coole, aber auch anstrengende Schluchtenwanderungen. In Therisso hast du die Variante für Faule, denn die Venizelos-Schlucht kannst du komplett mit dem Auto abfahren. Das lassen wir uns nicht zweimal sagen. Die Hauptschlucht hat eine Länge von etwa sechs Kilometern, eingerahmt von senkrechten Felsen und üppiger Vegetation. Natürlich dürfen die Kri-Kri-Ziegen hier auch nicht fehlen. Immer wieder entdecken wir welche am Straßenrand und im Gebüsch.

2. Etappe: Vámos

Dieses Dorf ist mit rund 700 Einwohnern viel größer als Therisso, hat aber trotzdem einen sehr charmanten Ortskern. Es liegt gerade einmal 26 Kilometer südöstlich von Chania und nur 40 Kilometer von Therisso entfernt, trotzdem fühlt es sich für uns an, als wären wir schon um die halbe Insel gereist. Da kommt uns der kleine Stopp gerade recht. Erwarte keine spektakulären Bauten oder Sehenswürdigkeiten in Vámos, sondern öffne deinen Blick für Kleinigkeiten rechts und links.


Die vielen liebevollen Details machen Vámos in meinen Augen zu etwas Besonderem. Auffällig sind die vielen bunt bemalten Steine im Ort. Ob Pilze, Schwäne oder Blumen, erlaubt ist scheinbar, was gefällt. Und selbst die NBA ist schon im Dorf eingezogen ;-).


Man spürt und sieht, dass sich die Menschen hier viel Mühe geben, ihr Zuhause hübsch zu gestalten. Alt und neu harmonieren in Vámos auf eine unaufgeregte Art miteinander. Dabei wirkt alles leicht und verspielt.

Dahinter steckt auch eine lokale Agentur, die den Ökotourismus im Ort fördern will und das traditionelle Dorfbild von Vámos pflegt. Ein schönes Projekt! Nach einer kleinen Stärkung in einem Café geht es weiter mit unserem Roadtrip auf Kreta.

3. Etappe: Kournas-See

Eingebettet in Olivenhaine mit den mächtigen Weißen Bergen im Hintergrund liegt der der südlichste See Europas. Er ist außerdem der einzige natürliche große See auf Kreta. Mit einer Länge von knapp über einem Kilometer, einer Breite von bis zu 880 Metern und einer maximalen Tiefe von circa 22 Metern ist er ein beliebtes Ziel von Einheimischen und Touristen. Das Dorf Kournas liegt etwa 2,5 Kilometer entfernt, rund um den See gibt es aber zahlreiche Buden, Souvenirshops und Restaurants. Das macht den Kournas-See leider auch sehr touristisch.  Wer sich an Menschenmassen nicht stört - es gibt auch direkt mehrere kostenpflichtige, Olivenbaum beschattete Parkplätze - der kann sich hier eine schöne Zeit machen und ist bestens mit allen Annehmlichkeiten versorgt.

Nach dem verschlafenen Therisso und dem ruhigen Vámos ist der Kournas-See aber erst einmal ein kleiner Schock für uns, als wir am frühen Nachmittag eintreffen. So viele Menschen auf einmal haben wir den ganzen Tag noch nicht gesehen. Als wir aber das ganze Touristenklimmbimm hinter und gelassen haben und  am Ufer des Sees angekommen sind, legt sich das ein bisschen. Der Anblick ist einfach wunderschön!


Das klare, hellgrün schimmernde Wasser liegt ruhig da, hier und dort sieht man ein Tretboot und vereinzelte Schwimmer. Am Ufer an der rechten Seite sitzen nur ein paar Enten und gewaltig große Gänse im Sand. Zwischen den Bäumen versteckt beobachten wir sie und schießen natürlich auch wieder jede Menge Fotos. Eigentlich krass, wie so eine Gans von Nahem aussieht. Fast ein wenig unheimlich sind mir die grell umrandeten Augen und der Sägeschnabel. Wir sind ihnen andersrum allerdings auch nicht besonders geheuer, wie sie uns lautstark zu verstehen geben, als wir noch näher kommen wollen.

Angeblich sollen im und am See Schlangen, Schildkröten und verschiedene Libellen zuhause sein.  Da wir keine Zeit für eine Paddeltour haben, bleibt das ungeprüft. Nach einem kurzen Fotoshooting am Seeufer und einem Abstecher in einen Souvenirshop machen wir uns wieder auf den Weg. Vorerst geht es zurück auf die Schnellstraße parallel zur Küste.

4. Etappe: Moni Arkadi

Nachdem meine Freundin nun schon etliche Kilometer abgerissen hat, machen wir einen schnellen Fahrerwechsel und ich bin nun am Steuer. Das heißt: weniger Fotos während der Fahrt. Bald verlassen wir erneut die nette, breite Straße an der Küste. Das Gebirge und die Serpentinen haben uns wieder, denn das berühmte Arkadi-Kloster liegt auf einer Höhe von etwa 500 Metern, circa 25 Kilometer südlich vom beliebten Urlaubsort Rethymno, den wir auf unserem Roadtrip auf Kreta 2017 leider nicht besuchen konnten. Beim nächsten Mal!

Mitten im Nirgendwo, einsam auf einem riesigen, staubigen Platz trotzen die gelben Mauern des Klosters der Hitze des Tages. Es sind weit über 30 Grad, als wir knapp vor einem Reisebus auf dem Parkplatz halten. Wieder sind wir an einem geschichtsträchtigen Ort gelandet. Für ein Eintrittsgeld von 3,- Euro dürfen wir die Mauern passieren und stehen im Innenhof der berühmten Klosterkirche, die früher auf Griechenlands 100-Drachmen-Scheinen abgebildet war, gegenüber. Irgendwie habe ich sie mir größer, gewaltiger vorgestellt nach den Bildern im Netz, aber trotzdem finde ich sie wunderschön.

Hier ist es ein bisschen voller als in den Klöster auf der Akrotiri-Halbinsel, aber absolut nicht überlaufen. Hier und da muss ich ein bisschen warten, um ein Bild ohne andere Touristen drauf zu machen, aber wir können uns absolut nicht beschweren und ich kann daher den Juni als Besuchszeit nur empfehlen. Nach einem Rundgang um die Klosterkirche und einem Blick in die Gärten steuern wir die Gebäude rundherum an. Der Großteil ist frei zugänglich und wir für Besucher in Schuss gehalten. Sogar eine Broschüre mit deutschen Erläuterungen bekommen wir am Eingang! Hieraus ziehe ich auch die meisten Informationen, denn im Web findet man erstaunlich wenig Details.

Genau wie Therisso spielte das Arkadi-Kloster eine wichtige Rolle im Kampf gegen die Osmanische Herrschaft auf Kreta. Es gilt als bedeutendstes Baudenkmal der Insel. Leider ist auch diese Geschichte mehr als blutig. 1866 wird hier ein Revolutionskomitee gebildet, dem der Abt von Arkadi vorsitzt. Der zuständige militärische Kommandant jedoch ist der Meinung, dass das Kloster nicht zu verteidigen ist und verlässt es deshalb mit seinen Männern. Einzig ein Leutnant darf bleiben. In der Nacht vom 7. auf den 8. November 1866 greift dann ein 15.000 Mann starkes osmanisches Herr das Kloster an. Dort befinden sich zu diesem Zeitpunkt 964 Menschen, davon lediglich 325 kampftaugliche Männer. Zwei Tage verteidigen sie Arkadi, dann sieht man die Aussichtslosigkeit der Situation ein und beschließt eine letzte Verzweiflungstat, um den Angreifern nicht in die Hände zu fallen.

Als im Laufe des 9. Novembers der Innenhof gestürmt wird, ziehen sich die letzten überlebenden Männer, Frauen und Kinder in das Pulvermagazin zurück und sprengen sich selbst in die Luft. Bis auf ein Mädchen werden alle getötet, aber auch Dutzende feindliche Soldaten. Zwar fällt das Kloster, doch die Art und Weise sorgt für internationales Aufsehen und Solidaritätsbekundungen von prominenten Persönlichkeiten. Eine Gedenktafel an der Ostmauer sowie eine kleine Ausstellung erinnern an die Schlacht. Auch die Überreste des Pulvermagazins kannst du besichtigen.


Eindrucksvoller noch als die halb zerstörte Munitionskammer fand ich die verkohlte Zypresse, die als Art Mahnmal auf dem Klosterhof steht.  In ihrem Stamm steckt eine Gewehrkugel, die von der Belagerung des Klosters durch die Türken stammen soll. Auch so verströmt der tote Baum eine ganz besondere Aura und als ich das seidig-trockne Holz berühre, ist mir fast, als könnte ich ein Portal zur Vergangenheit öffnen und die grausige Schlacht in diesem sonnigen Innenhof wieder zum Leben erwecken.


Wenn du dich für griechische Geschichte interessierst, einen Faible für historisch bedeutsame Orte oder einfach noch nie ein griechisches Kloster besucht hast, dann solltest du auf jeden Fall einen Ausflug zum Moni Arkadi machen. Wenn es dir nur darum geht, ein hübsches historisches Klostergebäude, in dem heute noch Mönche leben, und herrliche Gärten zu sehen, empfehle ich dir das Moni Agia Triada auf der Akrotiri-Halbinsel.

5. Etappe: Thronos

Dieser Halt ist nicht geplant gewesen, daher steht er oben bei der Route in Klammern. Das winzige Kaff lag auf unserem Weg von Arkadi nach Timbaki und wir mussten einfach unserer Neugier nachgeben als wir wie aus dem Nichts das Schild zur Church of the Panayia sehen. Die kleine Kapelle sieht interessant aus, also parken wir eine Straße weiter und kommen zu Fuß zurück.

Direkt neben der kleinen Kapelle steht eine ältere Dame und kauft Orangen bei einem fahrenden Obsthändler. Als sie uns sieht, fragt sie uns mit Händen und Füßen, ob wir die Kirche anschauen wollen. Klar, warum nicht, denken wir uns. Sie saust sofort los und holt den Schlüssel. Obwohl wir wirklich mitten in der Einöde sind, hat die kleine Kapelle nicht nur ein zweisprachiges Schild, sondern auch eine große Infotafel in Englisch. Nicht schlecht.

Leicht schnaufend öffnet die Dame uns die Türe und tritt zu Seite, damit wir den Innenraum der kleinen Kapelle in Augenschein nehmen können. Er ist winzig, aber die Wände hinter dem Altar sind komplett bemalt in strahlend bunten Farben. Die Dame kramt dienstbeflissen ein paar Prospekte für uns aus einem Schränkchen, das neben Altar und sonstigen Dekogedöns den kleinen Raum noch enger macht. Ein großes Fotografieren-Verboten-Schild ist leider ebenfalls zu finden.  Nach einer angemessenen Zeit der Bewunderung und einigen Ah- und Oh-Rufen danken wir der Herrin der Schlüssel und wollen uns verabschieden. Da haben wir die Rechnung aber ohne die pfiffige Alte gemacht!


Die nette alte Dame lockt uns nämlich noch in ihr "Pfefferkuchenhäuschen".  Anscheinend betreibt sie so etwas wie ein kleines Café. Es gibt jedenfalls in dem kleinen Raum mit einem Tresen, dahinter eine Miniküche und vorne ein paar Tische und Stühle. Wir dürfen aber weiter durch bis auf eine kleine Terrasse gehen. Hier hat sie wohl selbst vor kurzem gesessen, denn auf einem Stuhl liegen noch ihre Handarbeiten. Sehr urig. Außer uns ist weit und breit niemand zu sehen, aber es ist gemütlich hier. Drinnen ächzt und schnaubt die alte Dame vor sich hin. Die frisch gekauften Orangen verarbeitet sie von Hand zu Saft für uns. Cola oder so etwas gab es nicht oder wir konnten uns nicht verständlich machen. Ein bisschen Sorgen wir uns schon um sie, aber schließlich serviert sie uns freudestrahlend den Saft.

Die weitere Verständigung gestaltet sich aufgrund nur rudimentärer Sprachkenntnisse auf beiden Seiten etwas schwerer. Als wir schließlich weiter wollen, haben wir keine Ahnung, was es eigentlich kosten soll, denn so etwas wie eine Karte gibt es nicht. Außerdem finden wir uns auf einmal in einer kleinen Modenschau wieder, denn die gütige alte Dame möchte  nun scheinbar ihre selbstgehäkelten Umhängetücher  an die Frau bringen. Schwupps haben meine Freundin und ich je eins um die Schultern hängen. Wir bewundern ihre Arbeit ausgiebig und haben dabei ein arg schlechtes Gewissen, denn kaufen möchten wir die guten Stücke nicht. Mir fällt einfach keine Gelegenheit ein, wann ich so ein Tuch tragen soll und dafür sind mir die 25 Euro, die so pro Teil haben möchte, dann doch zu viel. Irgendwie schaffen wir es dann, uns einigermaßen höflich zu verabschieden - nicht ohne der tüchtigen Omi 5 Euro pro Saft dazulassen. Eine tüchtige Geschäftsfrau!

6. Etappe: Lost im Asterousia-Gebirge

Kurz nach dem etwas kuriosen Aufenthalt in Thronos soll unsere stundenlange Irrfahrt durch Berg und Tal beginnen. Wir schaffen es zwar noch einigermaßen problemlos durch das Kedros-Gebirge, dort fällt aber unser Navi aus, weil mein Akku den Geist aufgegeben hat und das Autoladegerät nicht schnell genug nachkommt. Nur mittels einer Landkarte, die nicht viel mehr als ein Werbegeschenk für ein Spaßbad an der Nordküste ist, suchen wir uns tapfer durch die Einöde. Eine ganze Weile klappt das auch gut.

Wir arbeiten uns durch Schaf- und Ziegenherden und orientieren uns an den größeren Ortsnamen, die wir auf der Karte finden. Irgendwann klappt das aber nicht mehr. Wir sehen entweder nur noch Schilder, die zu Orten führen, die nicht verzeichnet sind, oder gar keine (für uns lesbare) Beschilderung. Einmal fragt meine Freundin eine Gruppe Opis in einem Dorfcafé, die Verständigung auf Englisch ist schwer. Ein paar Straßen weiter fragen wir ein jüngeres Paar, das uns in hervorragendem Englisch einen komplett anderen Weg weist. Was nun?

Mit ein paar Umwegen über Sackgassen und mit Hilfe des Trial-and-Error-Prinzips schaffen wir es nach Mires und freuen uns, endlich wieder eine größere Stadt zu sehen. Kurz danach sollen wir uns aber noch viel schlimmer verfahren. Im Nachhinein können wir nicht genau sagen, wo genau wir falsch abgefahren sind, aber wir landen viel zu weit westlich an der Südküste bei Platia Peramata statt in Lentas, das oft auch als Lendas verzeichnet sein soll. Auf einmal ist da nur noch das Blau des Lybischen Meeres - ohne Leitplanke versteht sich. Aber immerhin ist die Straße zwar holprig, aber asphaltiert .. noch!

Immer noch denken wir: halb so wild. Auf der Karte führt eine Straße direkt an der Küste entlang von Platia Peramata über Gerakampos nach Lentas. Zwar schlängelt sie sich ganz schön und ist es eine "secodary road unsealed", aber wie schlimm kann es schon werden, sagen wir uns. Sehr schlimm. Denn obwohl da eine Straße sein soll, die um die nächste Bergkuppe führen soll, enden wir auf einer steilen Schotterstraße, die lediglich zu einem einsamen Strand führt.

 

Was mich unter normalen Umständen zu Jubelstürmen brächte, versetzt mich jetzt in leichte Panik. Denn die Dämmerung rückt näher, die Tanknadel sinkt immer tiefer und mein mittlerweile wieder zum Leben erwachtes Handy kriegt weder Netz noch sonst irgendeine Verbindung zur Außenwelt rein. Zudem war die Schotterpiste zum Strand hinunter sowieso schon ein Risiko mit unserem Kleinwagen.  Dem Strand ist das egal. Er liegt friedlich in der Nachmittagssonne da und schaut unschuldig. Das Foto unten ist übrigens mein letztes von diesem Tag, was zeigt, wie angespannt ich am Ende war. Wenn ich aufhöre zu fotografieren, muss schon wirklich was im Argen liegen! Um meine Freundin nicht zu beunruhigen, versuche ich mir aber nichts anmerken zu lassen.

Glücklicherweise befindet sich genau eine griechische Familie an diesem gottverlassenen Strand, der trotzt der Tatsache, dass wir schon gefühlte Stunden durch die Pampa fahren, kurioserweise mit Sonnenschirmen ausgestattet ist. Zu unserer Erleichterung spricht die Mutter ein wenig Englisch, sodass wir ihnen unsere inzwischen doch etwas verzweifelte Lage darlegen können. Lentas ist zwar nur einen Katzensprung entfernt, geben sie uns zu verstehen, wir müssen aber eine große Schleife ins Landesinnere machen, um wieder auf den richtigen Weg zu kommen. Die Straße die wir nehmen wollten, existiert nicht und wer hier nicht mit dem Jeep unterwegs ist, gilt eh als verrückt. Zumindest haben wir den Eindruck, denn auch die Familie fährt einen - so wie jeder, der uns noch begegnen soll.

 

Als wir auf die Tanknadel zeigen, macht sich auch die Mutter Sorgen. Sie beschreibt uns den Weg zur nächsten Tankstelle - und damit zur einzigen Tankstelle weit und breit - in Apesokari. Wir sollen uns aber beeilen, da sie zeitig schließt. Sie versprechen, dass wir ihnen einen Teil des Weges hinterherfahren können und wir dann bei der Tankstelle auch wieder Empfang fürs Navi hätten. Ich bin ihnen so dankbar, auch einfach, weil wir schon lange keinem Menschen mehr begegnen sind außer einem Bauern in einem Feldweg, in den wir uns zuvor verirrt hatten und der uns ansah wie Aliens. Mit durchdrehenden Reifen und viel Angstschweiß schaffe ich es, unseren tapferen kleinen Mietwagen wieder den Schotterweg hinauf zu manövrieren. 

 

Ein paar Kurven später winkt uns die Familie lächelnd zum Abschied und wir lassen die steilen Klippen hinter uns. Tatsächlich finden wir die Tankstelle, wo wir unter den Blicken des leicht hämisch grinsenden Tankarts die teuerste Tankfüllung unseres Lebens erstehen. Stolze 1,70 Euro zahlen wir pro Liter, trotzdem tanken wir voll. Nie wieder wollen wir hier in der Einöde in Gefahr geraten, ohne Benzin dazustehen!

Tatsächlich gibt auch Google Maps wieder Lebenszeichen von sich und wir schmeißen die Navigation an. Keine Experimente mehr, schwören wir uns. Erleichtert atmen wir auf, als es uns hinunter in ein herrlich flaches, grünes Tal führt. Leider müssen wir aber schon bald wieder in die nächsten Serpentinen, die Straßen sind schmal, aber asphaltiert.

 

Beim Dorf Krotos, das im Grunde nur aus ein paar Hütten besteht, treffen wir dann die letzte und horrormäßigste Fehlentscheidung des Trips. Weil Google Maps standardmäßig auf die "schnellste Route" eingestellt ist (das finden wir aber erst später raus), schickt uns das Navi hier runter von der "Hauptstraße". Da wir uns fast am Ziel wähnen, vertrauen wir dem Navi. Unsere Unterkunft wirbt schließlich für ihre Abgeschiedenheit. Also muss es jetzt wohl wieder ein unbefestigter Dreckweg sein. Tja, nach wenigen steilen Metern durch den Schotter ist das Dorf zu Ende und wir stehen am Abhang einer riesigen Klippe, über deren Kamm ein schmaler, Geröllweg führt.

Da stehen wir beiden nun, meine Freundin schaut mich an und fragt mich: Willst du da wirklich runter?. NEEEEEEEEEEEEEEEEEEEIN, denke ich. Ja, sage ich. Allerdings auch, weil ich nicht denke, dass das Auto den steilen Weg hoch durch das Dorf noch einmal schafft, denn dort sind wir auch schon einige Male eher gerutscht als gefahren. Ich hole also noch einmal tief Luft und fahre einfach immer weiter. Meine Muskeln zittern bereits, so fest halte ich Lenkrad, Bremse und Kupplung. Im Video oben kannst du einen Teil der Strecke sehen, die letzten paar Meter hatte auch meine Freundin so Angst, dass sie nicht weiter filmen konnte.  Am Ende rutschen wir mit etwa 20 Stundenkilometern die Schotterpiste in unserem tapferen kleinen Hyundai hinunter und landen schließlich unten an einem asphaltierten Weg direkt am Meer. Zwei Häuser sehen wir hier.  Das rechte ist unsere Pension: die Casa Doria*. Als unsere italienischen Gastgeber uns freudig begrüßen, bin ich immer noch am zittern.

Endlich am Ziel: LEntas

Am Abend unserer Ankunft tun wir nicht viel mehr als irgendetwas zu essen, was uns vorgesetzt wird, und verschwinden direkt ins Bett. Nach diesem Höllentrip sind wir einfach fertig. Da wir so früh schlafen gegangen sind und weil im Nebenzimmer jemand abartig laut schnarcht, bin ich allerdings schon um 5 Uhr morgens wieder wach. Perfekt für eine Fototour bei Morgenlicht - aber zu Fuß!

Im zarten Morgenlicht und mit etwas Abstand zur Anfahrt, schaue ich mich mit völlig neuen Augen um. Unsere Pension liegt als kleine Oase in der sonst karg anmutenden Berglandschaft. Die Terrasse ist mit der im satten Pink blühender Bougainvillea ein wahres Paradies. Ich freue mich auf das Frühstück später! Die drei Katzen, die zur Pension gehören, sind die einzigen, die mich beim Aufbruch bemerken.

Die Küste hier im Süden Kretas ist wirklich komplett anders als im Norden. Die Klippen sind rau, die Strände steinig und aschgrau. Nur ein paar Tamarisken und niedrige braune Sträucher wachsen vereinzelt auf den kargen Klippen.

Doch dann: eine Farbexplosion! Ich weiß nicht wie die üppigen, runden Büsche heißen, aber sie blühen in einem intensiven Lila, das perfekt zur zarten Färbung des Morgenhimmels passt. Ich bin im Fotografenhimmel!

In diesem Blumenfeld halte ich mich eine ganze Weile auf und knipse mir die Finger wund. Weil die Sonne jetzt aber rasant steigt und das gute Licht bald weg ist, reiße ich mich irgendwann los und wandere in die andere Richtung, wo laut unseren Gastgebern der Ort Lentas liegen soll. Das wäre wohl der Weg gewesen, den wir hätten nehmen sollen bei unserer Anfahrt! 


Zurück in der Unterkunft tauschen wir uns aus und ich zeige begeistert meine Fotoausbeute. Weniger begeistert sind wir allerdings von unserer Unterkunft. Sie ist zwar eigentlich hübsch hergerichtet, aber im Gegensatz zu unserem Appartement in Platanias* doch recht einfach. Zudem lässt sich das Zimmer nicht wirklich abschließen und unser Balkon ist durchgehend mit allen anderen Zimmern der kleinen Pension verbunden. In den Zimmer ist es stickig, weshalb jeder mit offener Balkontür schläft -  kein Wunder, dass wir jedes Schnarchen und Röcheln des Nachbars hören konnten. Im Grunde hätte ich bei meiner morgendlichen Fototour auch unbemerkt in jedes Zimmer gelangen können. Ein nicht ganz so netter Gedanke. Andererseits ist es hier sehr familiär und man kennt schnelle alle anderen Bewohner.


Wir frühstücken erst mal auf der zauberhaften Terrasse und merken dabei, dass wir den Altersdurchschnitt hier ganz schön senken. Außer uns sind nur ältere Paare hier.  Unsere wirklich sehr netten Gastgeber bringen uns eine Karte der Umgebung und wir fragen sie, was wir hier unternehmen können, möglichst ohne Auto zu fahren.  Als wir ihnen dann zeigen, welchen Weg wir am Vorabend genommen haben, zeigen auch sie sich ein wenig bestürzt. Ja, es war der falsche. Wir sind nur froh, dass wir ihn nie, nie wieder fahren müssen.  Man empfiehlt uns einen Ausflug zur Drachenschlucht. Dazu müssen wir bis zu einem kleinen Anleger fahren und stellen dort das Auto ab. Denn es geht nun erst einmal den halben Schotterweg, den wir am Vortag hinuntergerutscht sind wieder rauf, um zum Einstieg zur Dragon Bay zu gelangen.


Ja, den Weg, den uns auf dem Bild eine Ziege versperren möchte, sind wir tatsächlich mit dem Mietwagen runtergekommen. Mich wundert immer noch, dass wir keinen Stress wegen der nicht vorhandenen Unterbodenversicherung hatten. Der Aufstieg zu Fuß ist anstrengend, aber ich nehme ihn gern in Kauf, solange ich nicht fahren muss. Die Trafoulas-Schlucht, so ihr griechischer Name,  beginnt karg, zum Ozean hin wird sie aber immer grüner und ist von blühendem Oleander gesäumt. 

Am Vormittag liegt sie zu großen Teilen im Schatten, was bei Temperaturen von über 30 Grad sehr angenehm ist. Wir laufen etwa 30 bis 45 Minuten nur vom Gemecker einiger Ziegen begleitet, die uns von oben misstrauisch beobachten. Dann öffnet sich die Schlucht und das  Lybischen Meer liegt vor uns. Der Strand von Trafoulas besteht aus grauem Kies und Felsen, aber das Wasser ist einfach der Wahnsinn! So klar, so blau, nicht zu warm und nicht zu kalt. Einfach herrlich!

Außer uns sind nur ein anderes Paar hier, das mit dem Boot gekommen ist, und sich in den Felsen scheinbar häuslich eingerichtet hat, und ein weiteres, das eine kleine Höhle in Beschlag genommen hat. Schnell merken wir, dass die Sonne sogar für Warmblüter wie mich hier einfach zu heftig brennt, denn die grauen Felsen verstärken die Hitze noch und barfuß über die Steine zu laufen gleicht einer Fakirprüfung. Wir versuchen also, einen Sonnenschutz aus meinem Strandtuch zu bauen. Das gelingt eher schlecht es recht und so stürzen wir uns sofort auf die Höhle, als sich das eine Pärchen auf den Weg macht. Hier lässt es sich aushalten!

Gemütlich im Schatten liegend können wir zum ersten Mal wirklich die Abgeschiedenheit des rauen Südens genießen. Wir haben den Strand nun wirklich absolut für uns! Wer sich hier länger aufhalten möchte, sollte aber unbedingt an Sonnenschutz, Wasser und Verpflegung denken, denn so schnell kommst du weder hin noch zurück!

Offensichtlich ist unsere kleine Höhle auch schon oft genutzt worden, denn eine kleine Wäscheleine ist hier aufgespannt und an den Wänden finden wir verschiedene Symbole und Malereien. Wir genießen unser Hippiestranderlebnis bis nach ein paar Stunden ein Mann unsere Idylle stört und fragt, ob er seine Vorräte für später hier abstellen darf. Klar sagen wir, worauf er sich zu uns legt - splitterfasernackt. Wir beschließen zu gehen. Er hat zwar seine Freundin im Schlepptau und lässt uns in Ruhe, trotzdem fühlen wir uns nicht mehr wohl, weil er  sich direkt neben uns in die Höhle quetscht. Ohnehin gehen unsere Wasservorräte zur neige und es ist Zeit für den Rückweg.

Nach einer kleinen Stärkung in unserer Pension und einem Mittagsschlaf beschließen wir, nach Lentas hinüber zu fahren, um uns den Ort anzuschauen und den Abend in einem netten Restaurant zu beenden. Da ich in diesem Teil Kretas nicht mehr Auto fahren will, übernimmt dankenswerterweise meine Freundin.  Nach wenigen Kilometern und gewohnt holpriger, aber überwiegend asphaltierter Straße sind wir da. Wirklich vom Hocker haut uns das Dörfchen nicht. Es ist ziemlich windig, vieles hat zu. Hier ein Souvenirshop, da ein Café, groß ist die Auswahl nicht. Klar, wir haben keine Metropole oder ein Angebot wie an der Nordküste erwartet, aber als charmantes, ursprüngliches Dorf geht Lentas bei uns auch nicht durch. Am Ende landen wir im El Greco, weil der Kellner wenigstens nett ist. Das Essen ist okay, aber nicht der Rede wert. 


Mehr und mehr wollen wir beide einfach nur weg hier. Denn im Grunde haben wir schon alles gesehen, was man in Lentas und der näheren Umgebung sehen kann. Unser Plan, von hier am nächsten Abend schnell mal zum Hippiefestival nach Matala zu fahren, geht nicht auf. Das wissen wir jetzt, wo wir die Straßen kennengelernt haben. In der Theorie trennen uns nur 35 Kilometer von der Zivilisation, durch die kurvige, schlechte Straße fährt man aber mindestens anderthalb Stunden. Bei Nacht will das keine von uns auf sich nehmen. Und so verlassen wir Lentas eine Tag früher als geplant Richtung Matala. Unsere Gastgeber von der Casa Doria* zeigen Verständnis und erlassen uns sogar einen Teil der Rechnung.  Hausherr Alessandro scheint uns sogar etwas um unseren Trip zu beneiden, denn er erzählt uns, dass auch auch schon seit Jahren gerne mal auf das Festival gehen würde. Tja, bei den Straßen ist es kein Wunder, dass er es nie geschafft hat.

Die Landschaft hier an der wilden Südküste hat schon ihren Charme, die Dragon Bay ist großartig und die Fotos am Morgen gehören zu den schönsten meiner Reise durch Kreta. Aber in Lentas hatte ich die ganze Zeit ein beklemmendes Gefühl in der Brust, ich habe mich eingesperrt und isoliert durch die Berge gefühlt. Ich mag es einfach nicht, wenn ich irgendwo nicht schnell wieder weg kann. Egal wie schön es dort ist. Wieder etwas über mich selbst gelernt! Meiner Freundin scheint es ähnlich zu gehen. Wir sind in absoluter Feierstimmung als wir am nächsten Morgen abfahren. Dieses Mal nehmen wir den richtigen Weg, und zwar über die großartig moderne und breite Hauptzufahrtsstraße (jedenfalls im Gegensatz zu der Schotterpiste über die wir gekommen sind):

Matala, wir kommen!


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