Markt der Kulturen Lagoa

Die kleine Stadt Lagoa an der Felsalgarve ist kein wirklicher Touristen-Hotspot. Die meisten Urlauber reisen nach Lagoa, um die atemberaubende Küste des gleichnamigen Kreises zu entdecken oder den Tag im Wasserrutschenpark Slide & Splash zu verbringen. Aber nicht nur Algarve Highlights wie der Praia da Marinha oder die Grotte von Benagil verdienen deine Aufmerksamkeit. Im Sommer lockt die Algarve mit einer Vielzahl an tollen Events und Festivals. Zu meinen absoluten Favoriten gehört der Markt der Kulturen in Lagoa, der den kompletten Ortskern für drei wundervolle Tage und Nächte verzaubert!

lagoas Aufstrebender Kulturbetrieb

Lagoa liegt nicht direkt am Meer und ist kein primär auf Touristen ausgelegter Ort wie das benachbarte Carvoeiro. Hier geht es überwiegend authentisch zu, weshalb ich ihn lange Zeit einfach nur praktisch wahrgenommen habe. Da ich gerade einmal 5 Minuten Autofahrt entfernt wohne,  komme ich meist her, weil ich Bank, Werkstadt oder Finanzamt einen Besuch abstatten muss. Es gibt zwar ein paar hübsche Kopfsteingässchen mit typisch weißen Häusern mit bunten Fenster- und Türrahmen, aber auffälliger ist leider eher die nicht ganz so hübsche Neubausiedlung im Westen der Stadt. Doch in den letzten Jahren hat sich viel mehr in Lagoa getan als das. Lagoas Kulturbetrieb floriert und es gibt eine Vielzahl toller Ausstellungen, Aktionen und Märkte!


Eine große Institution in Lagoa ist - seit ich denken kann - die jährlich im August stattfindende Messe FATACIL. Aber nicht nur diese erfindet sich gerade neu, sodass es mir auch nach 30 Jahren dort nicht langweilig wird, sondern es entstehen immer mehr kulturelle Angebote. Seien es Ausstellungen der Kunstschule Escola de Artes Mestre Fernando Rodrigues in einem ehemaligen Schlachthaus, das Unterstützen von Streetart oder die Lir Galeria Arte Algarve in der du Gemälde, Skulpturen und mehr mit einer Weinprobe verbinden kannst (Lagoa ist eine bedeutende Weinregion Portugals). Der Markt der Kulturen ist eine Idee des  kommunalen Kulturzentrums Convento de São José, das in einem ehemaligen Nonnenkloster untergebracht ist. Das charakteristische Gebäude gilt inzwischen als Wahrzeichen der Stadt und verfügt nicht nur über historisches Flair, sondern auch ein modernes, mit allen technischen Finessen ausgestattetes Mehrzweck-Auditorium. Hier finden das ganze Jahr über Konzerte, Themenmärkte, Kunstausstellungen, Theateraufführungen und Gesprächsrunden wie der ALFA-Literatursalon statt.

Kulturmarkt im Kerzenschein

In Portugal liebt man es, Vergangenheit und Gegenwart zusammenzuführen. Das merkst du nicht nur beim beliebten Mittelalter-Festival in Silves, das ich ebenfalls nur sehr empfehlen kann! Auch dem Kulturmarkt im Kerzenschein, auf Portugiesisch: Mercado de Culturas à Luz das Velas) liegt dieses Konzept zugrunde. Ziel ist es nicht nur, Speisen, Tänze, Musik, Waren und Religionen aus den unterschiedlichsten Kulturkreisen harmonisch zusammenzubringen, sondern auch mit dem Zauber der Vergangenheit zu würzen. Seit der Premiere in 2014 gibt es deshalb  jedes Jahr  ein anderes Thema. 2017 war es zum Beispiel die Seidenstraße.

Zum ersten Mal gelesen habe ich vom Markt der Kulturen in Lagoa in der "Entdecken Sie Algarve", einem deutschen Magazin, das seinen Sitz ebenfalls in Lagoa hat und schon seit Jahrzehnten existiert. Hier findest du jeden Monat eine gute Übersicht über alle Events an der Algarve, vom großen Konzert bis zum kleinen Stammtisch. Die Beschreibung eines Marktes im Kerzenschein las sich gut, große Erwartungen hatte ich aber nicht, als ich im Juli 2017 mit einer Freundin zum Kulturmarkt nach Lagoa fuhr. Tja, ich sollte eines Besseren belehrt werden!

Zunächst einmal war mir völlig entgangen, dass der Ortskern rund um die alte Markthalle in Lagoa inzwischen komplett zur Fußgängerzone geworden ist. Eine gute Idee! Als wir ankommen, dämmert es gerade und es ist kaum etwas los. So können wir uns in Ruhe einen Überblick über alle Angebote verschaffen. Direkt am Anfang findet sich ein Stand, an dem frisches Brot mit Knoblauch gebacken wird. Göttlich! Ich liebe ja diese einfachen Dinge in Portugal! Hier sehen wir auch schon die ersten Lichter. Die Iberische Halbinsel war schon immer ein Schmelztigel verschiedener Glaubensrichtungen. Christen, Juden, Moslems und Heiden haben gleichermaßen hier ihre Spuren hinterlassen und die Kultur der Region geprägt. Darauf möchten die Veranstalter des Markt u.a. aufmerksam machen, in dem sie jede nur denkbare Glaubensrichtung als Symbol durch Kerzen nachbilden. Schon im Halbdunkel ist das ein toller Anblick.


Besonders in Erinnerung bleibt uns das klassische Konzert, das in der kleinen Kapelle des Konvents gegeben wird. Von moderner Lichttechnik in verschiedenen Farben in Szene gesetzt, spielt eine junge Frau in gelbem Kleid ein traditionelles chinesisches Instrument.  Die Melodie ist melancholisch und wunderschön. Und es gibt weitere Überraschungen! So kommt zum Beispiel auf einmal ein chinesischer Drache durch die Straßen getanzt. Wir sollen seinen großen Bruder und dessen Diener später am Abend noch einmal wiedersehen.


Über 50 Marktstände warten noch darauf, von uns entdeckt zu werden. Von Kunsthandwerk und Schmuck über Gewürze und allerlei Speisen bis hin zu traditioneller Kleidung gibt es jede Menge zu sehen, riechen, schmecken und zu fühlen. Es finden sich vor allem viele orientalische Händler mit farbenfroher Auslage.


Inzwischen ist es dunkel geworden und nun kommen die Zehntausenden von über den Markt verteilten Kerzenflammen so richtig zur Geltung. Kreuzund Davidstern, Om und Sichelmond sowie das Rad der Lehre und viele mehr leuchten uns den Weg zu. Obwohl inzwischen mehr los ist in den Gassen, fühlt sich alles friedlich an.

Immer wieder entdecken wir eine neue kleine Seitenstraße, an deren Ende sich die Menschen um ein paar Musiker schwaren. Die flackernden Lichter werden von süßen Klängen verschiedener Nationen begleitet. Dazu finden sich immer neue Symbole, die wir mithilfe der beiliegenden Erklärungen den verschiedenen Glaubensrichtungen zuordnen können.

Nach ein paar Runden durch die Stände haben wir Hunger bekommen. Damit sind wir nicht allein - wie so oft ist an den Verkausbuden fürs leibliche Wohl am meisten los. Die Auswahl ist groß, am Ende ist es uns doch ein bisschen zu voll, wir entscheiden uns für gefüllte Crepes und haben danach keine Lust, uns noch mal anzustellen. Mein Tipp daher: Lieber direkt am Anfang  zuschlagen, wenn noch wenig los ist!

Mit etwas Quetschen und der freundlichen Erlaubnis von einer portugiesischen Familie finden wir dann sogar noch einen Sitzplatz - und das direkt vor einer weiteren Bühne, wo nun u.a. traditionelle syrische und iranische Tänze dargeboten werden. Das wird das nächste Highlight des Abends! Der traditionelle Schwerttanz sieht zugegebenermaßen etwas lustig aus, aber wenn sich Krummsäbel und Schwert im Schatten an der Wand in vielfacher Größe widerspiegeln, klatscht man doch lieber artig mit.


Die  wirbelnden Röcke des nachfolgenden Derwisch-Tänzers versetzen uns dann fast in eine Art Trance. Es ist einfach beeindruckend, wie er sich minutenlang in einer wahnsinnigen Geschwindigkeit um sich selbst drehen kann, mal im schlichten Gewand, mal in vielfach verzierten Röcken, die er bis über den Kopf wirbeln kann ohne auch nur im geringsten aus dem Takt zu kommen. Berührend ist die Botschaft, die er zum Ende seiner Darbietung auf einem weißen Tuch geschrieben zeigt: Paz (Frieden)!

Nach der wirklich wundervollen Vorstellung begeben wir uns wieder zum Hauptplatz vor dem alten Markt. Dort kommt jetzt die chinesische Tanzkunst und Musik zu ihrem Recht. Im Mittelpunkt der mitreißenden Show steht ein riesiger Papierdrache.

Davon noch ganz geflasht, wandern wir noch einmal durch die immer dunkler werdenden Gassen, hören hier und da anderen Musikern zu und finden uns schließlich wieder am Ausgangspunkt - dem Knoblauchbrotstand! Wo Am Anfang des Abends nur eine hutzelige Oma den Einganz zu einer Kapelle bewachte, ist nun direkt daneben ein DJ-Pult aufgebaut. Drumherum gibt es eine Chill-Out-Area, in der man gemütlich der Silk Rad Night Session von DJ Charlie Spot lauschen kann. Wir sind so gechillt von der Musik, dass wir beschließen, für heute Schluss zu machen. Nicht ohne natürlich noch zwei Portionen Knoblauchbrot mitzunehmen. Für den nächsten Tag ... oder auch nicht. Mjam! Und wir merken uns jetzt schon: Der nächste Mercado de Culturas à Luz das Velas fndet vom 5. bis 8. Juli von 19:00 bis 1:00 Uhr statt.

 

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