Kleine Weihnachtswunder für die Serra Teil 2

Hier kommt Teil 2 unserer Weihnachtsaktion für die Betroffenen der Waldbrände in Monchique. Da Alina wegen Krankheit ausfiel, musste ich kurzfristig ihren Platz einnehmen. Begleitet mich auf der Tour mit den Rotariern sowie bei der Auslieferung von Weihnachtsgeschenken in Monchique am 22.12.2018!


Fotos und Bericht: Susanne Koplin


22.12. - Weihnachtsbesuch nr. 2

Der zweite geplante Weihnachtsbesuch beginnt leider denkbar schlecht. Am Vorabend bekomme ich einen verzweifelten Anruf von Alina. Sie liegt krank im Bett, kann sich kaum bewegen, immer wieder muss sie sich übergeben. Sie fragt mich, ob mein Mann Jojo und ich es auch ohne sie am nächsten Tag schaffen würden, die bereits fest vereinbarte Tour mit den Rotariern und das Treffen mit Clara durchzuziehen. Etwas mulmig ist mir schon, aber ich zögere trotzdem keine Sekunde zuzusagen. In der Nacht schlafe ich kaum und hoffe, dass es Alina bald besser geht. Am nächsten Morgen geht es ihr leider immer noch nicht besser. Wir fahren um halb 8 zu ihr und ich lasse mir den genauen Tagesplan von ihr diktieren. Dann laden wir die restlichen Geschenke plus die, die wir die Tage kurzfristig besorgt haben, weil zwei bestellte Artikel nicht wie angekündigt angekommen sind, in Alinas Auto um. Es tut mir in der Seele weh, sie jetzt allein zu lassen, aber niemand von uns möchte die Menschen in Monchique  im Stich lassen.

Nachdem ich mich versichert habe, dass Alina alles hat, was sie braucht, starten Jojo und ich Richtung Monchique. Der strahlend blaue Himmel macht es uns  zumindest ein bisschen leichter, zuversichtlich in den Tag zu starten, auch wenn ich etwas aufgeregt bin und mir immer noch Sorgen um Alina mache. Pünktlich um halb 9 treffen wir an der Autobahnausfahrt von Monchique ein, wo wir uns mit Leon treffen sollen, um die Reversible Adventskalender in Empfang zu nehmen. Die 5 großen Kisten erfordern einiges an Packkunst, aber wir kriegen alle ins Auto. Mit Leon machen wir aus, dass wir uns um 15:30 Uhr am Intermarché treffen. Bernadette Abbott hat nämlich auch noch eine handgefertigte Spielküche für João und Armandas Küche gespendet bekommen, die allerdings zu groß für Alinas Auto ist.

Am Intermarché in Monchique angekommen halte ich Ausschau nach Ana und Clara, Senhor Baltazar sitzt bereits mit einem Freund im Café. Da ich keine von beiden entdecken kann und noch ein paar Minuten bis zum vereinbarten Treffen um 9 Uhr bleiben, holen auch wir uns noch schnell eine Kleinigkeit zum Frühstück. Dann sehe ich auch schon Clara draußen stehen und gehe mit Herzklopfen auf sie zu. Ein wenig stockend erkläre ich ihr, dass Alina krank ist und ich sie heute vertrete. Clara reagiert sehr lieb und schnell entspinnt sich eine angeregte Unterhaltung. Auch Senhor Baltazar nähert sich schüchtern. Ana, so erklärt mir Clara, wird heute nicht kommen, sie hat Alina am Morgen abgesagt. Diese Schwierigkeit, dass die Menschen sich wegen Planänderungen natürlich bei Alina melden und nicht bei mir, werden wir an diesem Tag noch öfter meistern müssen.

Größere Sorge bereitet mit aber aktuell, dass das Ehepaar Schütz bisher nicht aufgetaucht ist. Die beiden haben sich großzügigerweise dazu bereit erklärt, Senhor Baltazar eine komplette Badinstallation zu spenden. Einzige Bedingung: Jemand Deutschsprachiges sollte bei der Übergabe dabei sein, da sie nur wenig Portugiesisch sprechen. Mein Mann macht mich auf einen grauhaarigen Herrn aufmerksam, der seit geraumer Zeit auf dem Parkplatz steht. Ich bin inzwischen schon mehrfach hin und hergelaufen, um zu schauen, ob ich jemanden mit einem großen Auto sehe, in den alle Teile passen könnten. Also gehe ich nun direkt auf ihn zu und frage ihn, ob er Senhor Schütz sei.  Er ist es! Erleichtert gehen wir ans Werk. Ich hole schnell ein paar alte Decken zum Schutz, die ich mitgebracht habe, aus dem Auto, während Senhor Baltazar seinen Van neben dem Kombi von Herrn Schütz parkt.

Herr Schütz ist sichtlich betroffen von den Schäden, die das Feuer hinterlassen hat. Für ihn ist es das erste Mal, dass er damit direkt konfrontiert ist, erzählt er mir. Ich merke wieder einmal, wie sehr ich mich inzwischen schon an den Anblick "gewöhnt" habe. Für mich sind die Spuren bereits blasser geworden, abgeschwächt durch das stetig wachsende Grün und die ständige Konfrontation. Für ihn sind sie ein gewaltiger Schock. Umso toller finde ich es von ihm und seiner Frau, dass sie ihre Badezimmerausstattung, die in einem erstklassigen Zustand ist, zugesagt haben, ohne zuvor vor Ort gewesen zu sein.


Außerdem bin ich froh, dass mein Mann heute dabei ist, denn vor allem die Toilette und das Waschbecken sind sehr schwer. Nach kurzer Zeit haben wir aber alles sicher in Sr. Baltazars Auto verstaut. Clara muss nun weiter, da sie noch eine häuslichen Notfall hat. Jojo und ich wollen Senhor Baltazar beim Ausladen nicht mit den schweren Teilen allein lassen und so verständigen wir uns darauf, dass wir ihm in Alinas Auto bis zu der steilen Abfahrt, die zu seinem Grundstück führt, folgen und er uns dann mit in seinem Van mit nach unten nimmt.

Bevor es losgeht, verabschieden wir uns von Herrn Schütz und danken ihm noch einmal. Dann zeigt mir Clara noch eine Nachricht, die über Facebook an sie und Alina ging. Darin heißt es, dass sie Rotarier um 11 Uhr Baumaterial für Senhor Baltazar zum Intermarché bringen. Das bedeutet die nächste Planänderung, denn eigentlich sollten wir um 11 Uhr direkt mit den Rotariern zur Água Balsa Komune fahren. Wir freuen uns aber sehr, dass die letzten Sonntag zugesagte Hilfe für Sr. Baltazar so schnell zustande kommen konnte. Clara gibt Sr. Baltazar noch schnell Bescheid, dass auch er um 11 wieder zum Intermarché kommt. Nach einer herzlichen Verabschiedung von Clara machen wir uns auf den Weg nach Poio do Linho.

Seite an Seite mit Sr. Baltazar rumpeln wir vorsichtig den steilen, unbefestigten Weg zu seinem Grundstück hinunter. Der zurückhaltende Mann überwindet seine Schüchternheit ein wenig und erzählt mir, dass auf dem Grundstück, dass wir gerade rechter Hand passieren, Deutsche leben. Sie seien "Bons Vizinhos" ("gute Nachbarn") meint er und ich erwidere sein Lächeln nur zu gern. Sr. Baltazar braucht nicht viele Worte, um sich in mein Herz zu stehlen. Man muss den bescheidenen Mann einfach gern haben.

Unten angekommen bereitet Sr. Baltazar eine Ecke in dem Schuppen für die Lagerung der hochwertigen Sanitäranlagen vor.  Damit die Teile vor Stößen, Schmutz und Feuchtigkeit geschützt sind, stapeln wir alles auf ein paar Bretter, die Sr. Baltazar ausgelegt hat. Jetzt sehen wir auch zum ersten Mal so richtig, was alles dabei war. Neben einer Toilette mit Spülkasten, einem in Portugal üblichen Bidet und einem Standwaschbecken sowie einem kleineren Waschbecken inklusive Armaturen stapeln sich auch zwei Spiegel, Lampen, Handtücher, ein Mülleimer und Badematten in dem kleinen Schuppen. Sogar an Putzmittel und Klopapier wurde gedacht!

Bevor Sr. Baltazar uns wieder nach oben zu Alinas Auto fährt, zeige ich Jojo noch schnell die Ruine seines Hauses. Für meinen Mann ist es unbegreiflich, dass der ältere Herr hier noch bis vor ein paar Monaten gelebt hat. Das Haus wirkt wie eine der vielen verlassenen Ruinen, die man auch unten an der Küste immer wieder sieht. Nur dass diese hier nicht über Jahrzehnte dem Verfall zum opfer fiel, sondern innerhalb von Minuten gewaltsam durch das Feuer zerstört wurde.


Um Viertel vor 11 sind mein Mann und ich wieder am Intermarché in Monchique und springen noch schnell in den Supermarkt, um uns etwas zu trinken zu holen. Ich überlege gerade, ob ich nicht noch etwas zu essen holen soll, da wir nur ein kleines Teilchen zum Frühstück hatten, als ich am Café Monika entdecke. Ich freue mich wahnsinnig, die zierliche Österreicherin zu sehen und auch sie drückt mich ganz, ganz fest, als ich sie begrüße. Gemeinsam gehen wir nach draußen, wo auch Bernhard sitzt und uns freudig begrüßt. Was für eine Überraschung! Ein paar Tage zuvor hatten Alina und ich noch überlegt, ob wir die beiden bitten sollten, uns am Intermarché zu treffen, um schon einen Teil der Geschenke an ihre Enkel zu übergeben. Wir hatten uns dann dagegen entschieden, weil wir uns lieber mehr Zeit für Monika und Bernhard nehmen wollten, die inzwischen zu wirklichen Freunden geworden sind. 

Wie schon so oft fällt mir auf, dass wirklich jeder jeden kennt hier oben. Und so lernen wir heute z. B. den ersten Menschen kennen, den Monika und Bernhard in Portugal kennengelernt haben - einen Marokkaner mit Dreadlocks und lachenden Augen. Trotz der schlechten Nachricht, die Monika und Bernhard bezüglich des Wiederaufbaus ihres Mietshauses vor kurzem erhalten haben - der Staat wird sich nicht an den Kosten beteiligen - scheinen die beiden wieder Hoffnung zu fassen. Sie erkundigen sich besorgt nach Alina und schlagen vor, dass Weihnachtstreffen in Carvoeiro zu machen statt bei ihnen, damit Alina etwas zur Ruhe kommen kann. Ich verspreche, dass wir auf jeden Fall ein Treffen hinbekommen ,egal wo.

Um halb 12 werde ich dann doch etwas unruhig, noch immer keine Spur des Rotary Clubs. Ich durchforste das Notizbuch, welches mir Alina mitgegeben hat und auch meine eigenen Aufzeichnungen vom Morgen, kann aber keine Telefonnummern von den Rotariern finden. Auch über Facebook kann ich niemanden erreichen. Ich greife zum letzten Mittel und rufe bei Alina an, doch sie geht nicht dran. Schließlich ist es Sr. Baltazar, der um 20 vor 12 Uhr den Laster mit Sr. António, Jovita und Maria Isabel entdeckt. Erleichtert gehen ich auf sie zu und erläutere ihnen die Situation. Im Nachhinein erfahre ich, dass auch sie sich bei Alina gemeldet hatten, um ihre Verspätung anzukündigen, aber Alina zu diesem Zeitpunkt durch eine Spritze vom Arzt komplett außer Gefecht gesetzt war. 

Wir verabschieden uns schnell von Monika und Bernhard und dann geht es in der Kolonne mit Sr. Baltazar an der Spitze, dem Laster der Rotarier in der Mitte und uns in Alinas Wagen nach Poio do Linho. An der unbefestigten Abzweigung steigen Jojo und ich dann wieder zu Sr. Baltazar in den Van um.

Hinter uns poltert der schwer bepackte Laster mit den Rotariern den holprigen Weg hinunter und ich bin einfach nur froh, das heute die Sonne scheint und die Piste nicht so schlammig ist, wie bei unserem letzten Besuch. Alles klappt gut und nun kann Sr. Baltazars Weihnachtswunder kommen: Die Rotarier haben jede Menge Baumaterial für ihn auf dem Wagen.  Stolz und glücklich präsentiert Sr. António Sr. Baltazar gefühlt jedes Teil einzeln. Es sei ihm gegönnt, schließlich stammt das Material aus dem Bestand seiner Baufirma.

Ruckzuck bilden wir eine Menschenkette und die Holzbalken, die genau auf die Größe des Lochs in Sr. Baltazars Schuppen zugeschnitten wurden, finden ihre neue Bestimmung als Bodendielen. Sr. Baltazar freut sich so sehr darüber, dass er sich mit einem breiten Grinsen zu einem Scherz durchringt, dass er nun hier ja prima tanzen könne. Die Rotarier fallen in sein Lachen ein und erwidern, dass er nun hier problemlos eine Party veranstalten könne.


Mit vereinten Kräften schleppen wir neben den Holzbalken dann u.a. noch eine Eingangstür, mehrere Fenster, etwa ein dutzend Rehgipsplatten mit Dämmung inklusive Metallbefestigungsprofilen und mindestens 10 Zementsäcke a 25 Kilo in den Schuppen. Besonders die Ladys des Rotary Clubs zeigen, dass sie einiges stemmen können, während Sr. António auf dem Wagen steht und alles verteilt. Mein Mann und der andere Herr der Rotarier packen ebenfalls gut mit an, während Sr. Baltazar zwischen allen hin und herwuselt und Platz schafft.

Obwohl die Arbeit anstrengend ist und alle etwas ins Schwitzen kommen, ist die Stimmung ausgelassen. Alle sind zu Scherzen aufgelegt, was auch der modebewusste Sr. António zu spüren kriegt, als ihn Maria Isabel und Jovita liebevoll wegen seiner feinen Arbeitshosen aufziehen. Zum Schluss gibt es für Sr. Baltazar von den Rotariern noch ein wenig für Leib und Seele. Zwei Flaschen Wein und ein "Bolo Rei", ein tradiotioneller portugiesischer Weihnachtskuchen sollen ihm die Festtage zusätzlich versüßen.

Nach getaner Arbeit wollen die Rotarier nun weiter zur Toca de Coelho fahren, um Sofee und Rabbit das erbetene Fenster zu bringen. Laut Alinas Plan ist der Besuch bei Água Balsa bereits überfällig, aber keinem von uns ist klar, dass man dort schon auf uns wartet. So starten wir zunächst Richtung Alferce. Die Rotarier sind schon vorgefahren und haben mir versichert, dass sie den Weg kennen. Mein Mann und ich verabschieden uns noch von Sr. Baltazar und fahren dann ebenfalls Richtung Toca do Coelho. Schon auf halbem Weg haben wir den Laster der Rotarier eingeholt. Das stellt sich als Glücksfall heraus, denn die Rotarier verfahren sich prompt auf dem letzten Kilometer und müssen sie lotsen.

 An der Toca do Coelho angekommen sehe ich als erstes die schwangere Sofee wie eine kleine Waldnymphe barfuß in einem langen Sommerkleid vor dem Wohnwagen, den Alina besorgt hat, sitzen. Mittlerweile ist es auch hier oben in den Bergen richtig warm geworden. Kaum zu glauben, dass es noch 2 Tage bis Weihnachten sind, auch wir haben unsere Jacken schon lange von uns geworfen. Wir begrüßen uns mit einer herzlichen Umarmung und ich überreiche Sofee meine Plätzchen sowie eine Ausgabe von "Ashes & Hope"*. Sofee und Rabbit sind ein wichtiger Teil meines Bildbandes und ich möchte ihnen deshalb eine Ausgabe schenken. Sofee ist begeistert, doch ihre Augen suchen nach Alina. Ich muss auch ihr sagen, dass es Alina leider nicht gut geht und sie nicht kommen konnte. 

Rabbit, der zuvor die Rotarier willkommen geheißen hat, kommt nun dazu und begrüßt mich mit einem herzlichen "Olá amiga" ("Hallo Freundin"). Auch über sein Gesicht huscht ein besorgter Schatten, als er erfährt, dass Alina krank ist. Doch beide freuen sich sehr über das Geschenk von Alina für ihr ungeborenes Baby, das ich ihnen wenigstens heute überreichen kann.  Und auch einen Bolo-Rei-Kuchen von den Rotariern bekommen die beiden in den Arm gedrückt. Sofee und Rabbit sind fast sprachlos angesichts so vieler Geschenke und laden uns zu einem Tee ein.

Die Damen und Herren vom Rotary Club sind mit Rabbit noch dabei, das Fenster auszuladen und weitere Wünsche zu notieren. Wir lassen sie in Ruhe arbeiten und folgen Sofee hoch zu ihrem neuen Häuschen. Ich bin wahnsinnig gespannt, jetzt live den Fortschritt an ihrem neuen Zuhause zu sehen.

Als ich mit Alina im November hier war, bestand es fast nur aus einem steinernden, kniehohen Umriss. Seitdem hat sich einiges getan, wie wir in diesem Bericht über Sofee und Rabbits Hausbau schon dokumentiert haben. Auch ein Video vom fertigen Gerüst hat Alina mir bereits im Vorfeld geschickt, aber trotzdem konnte ich es mir nicht so richtig vorstellen.


"Yes, it's huge!" meint Sofee lachend als sie meinen erstaunten Blick sieht. Das Dach ist wirklich riesig geworden. Während Rabbit mit den Rotariern im Erdgeschoss bleibt und ihnen erklärt, was gemacht wurde und was noch gebraucht wird, erkunden Jojo und ich den zweiten Stock. Er ist momentan nur über eine Art Hühnerleiter hinter der Holzkonstruktion zu erreichen.

Wir sind beeindruckt, wie viel man so schnell mit so einfachen Mitteln so viel erreichen kann. Sofee und Rabbits "Baumhaus" hat genau wie die beiden eine positive Aura und wird sicherlich mindestens genauso gemütlich wie das Zelt, das sich die beiden am Boden eingerichtet haben. 


Als wir gerade genüsslich Sofees Tee aus frischen Gartenkräutern genießen und uns von der Sonne wärmen lassen, kommt auf einmal Hektik auf. Plötzlich müssen wir sofort weiter. Ich drücke der verdutzten Sofee meine halbvolle Tasse Tee in die Hand und entschuldige mich, dass ich es nicht schaffe, das heiße Getränk runterzustürzen. Ich weiß noch nicht, warum die Rotarier nun wie von der Tarantel gestochen in ihre Autos steigen, drücke nur noch schnell Sofee und Rabbit zum Abschied und hechte ins Auto.

Alina hat mir aufgetragen, Nuno anzurufen, wenn wir unterwegs zur Água Balsa sind. Während ich noch vergeblich versuche, ihn zu erreichen, schreibt mir Alina. Sie ist wieder unter den Lebenden, Gott sei dank! Sie textet mir, dass die gesamte Água-Balsa-Community schon etliche Male bei ihr angerufen habe und sie sich wundern würden, wo wir bleiben. Wir sollen sofort zu ihnen aufbrechen, da Nuno und Cristina zurück nach Lissabon müssen. Nun erklärt sich mir auch der hektische Aufbruch der Rotarier.

Mit dem Laster des Rotary Clubs im Schlepptau versuche ich den schnellsten Weg zur Komune zu finden. Luftlinie ist es nicht weit, doch man weiß hier oben nie, welche Straßen wirklich befahrbar sind und welche sich eher als Wanderwege entpuppen.  Zur Sicherheit habe ich die Koordinaten gespeichert, als ich das letzte Mal auf dem Gelände der Água Balsa war, aber der Weg, den wir genommen haben, existiert nicht in Google Maps. Alle anderen Wege kann ich auswendig ohne Navi, nur bei diesem erinnere ich mich nur vage an die Straße. Als wir von der Hauptstraße zwischen Alferce und Monchique auf eine steile schmale Straße abbiegen, bleibt der Laster der Rotarier plötzlich stehen. Als ich aussteige, um zu fragen, was los ist, kommen mir Maria Isabel und Jovita keuchend entgegen. Die Männer wollen essen fahren, wir müssen bei euch mitfahren, meinen sie. Uff, da haben sie wohl vorher nicht in Alinas Auto geschaut. Der Rücksitz ist voll mit den Adventskalenderboxen und Geschenken.  Schließlich schaffen wir es aber, die beiden irgendwie noch ins Auto zu quetschen. Zweimal landen wir in einer Sackgasse, dann erwische ich die richtige Straße und wir gelangen auf das Gelände der Komune.

Wir befreien die unter den Adventskalenderboxen begrabenen Rotarier-Ladys und machen uns mit Plätzchen, dem Geschenk von Alina für Bia sowie den Reversible Adventskalendern für Nuno und Cristina auf den Weg. Eine der Kisten trägt mein Mann, die andere tragen Maria Isabel und Jovita mit vereinten Kräften.

Bernadette und ihre Spenderfamilien haben es sehr gut gemeint mit unseren Familien aus Monchique,  immer wieder müssen wir die Kisten absetzen, weil sie einfach zu schwer sind. Weit und breit sehen wir keinen Menschen auf dem weitläufigen Gelände der Água Balsa, das sich über mehrere Plateaus an einen Hang schmiegt.  Ich selbt war nur einmal hier mit Alina - und damals haben wir uch nur von oben hinuntergeschaut und das neue, sattrote Scheunendach begutachtet, das Alina finanziert hat. Wir passieren einen bunt bemalten van und einen kleinen Wohnwagen, aber niemand zeigt sich.

In der Ferne sehe ich ein Zelt und einen weiteren Wohnwagen. Bevor die beiden Damen unter der Last der Kiste ganz zusammenbrechen und den Weg umsonst auf sich nehmen, bedeute ich allen, hierzu warten und sprinte allein den Hügel hinunter, um zu sehen, ob ich dort unten auf Menschen stoße.

Unten angekommen treffe ich tatsächlich auf Cristina, die mich herzlich begrüßt. Sie ruft direkt Nuno an, der gerade in Monchique ist und informiert Xico, ein weiteres Mitglied der Água Balsa-Kommune, das wir eigentlich auch noch treffen sollten. Xico ist jedoch gerade beim Essen und wir schaffen es nicht mehr, ihn kennenzulernen. Cristina ist wie immer völlig ruhig und winkt ab, als ich mich für die Verspätung entschuldige. Gemeinsam machen wir uns an den steilen Aufstieg zu Jojo und den Rotariern. Das Workout unter freiem Himmel bringt uns beide ganz schön außer Atem. Bei den anderen angekommen gibt es erst einmal Plätzchen für Cristina und das Geschenk für Bia. Der Adventskalender wartet auf einem Stein gelagert auf sie.


Nach wenigen Minuten kommt auch Nuno mit seiner schlafenden Tochter auf dem Arm dazu. Nachdem er die Kleine kurz im Wohnwagen schlafen gelegt hat, machen wir einen kleinen Rundgang über das Gelände. Nuno erklärt noch einmal vor Ort das Konzept der Água Balsa, was alle szerstört wurde und wo noch Unterstützung benötigt wird.

Er führt uns unter anderem auch zu einer Quelle und lässt uns das wunderbar klare Wasser aus einer Korkschale probieren. Sowohl die Damen vom Rotary Club als auch wir sind begeistert von dem Geschmack.

Begleitet werden wir die ganze Zeit von einem riesigen Hund, der jedoch lammfroh ist. Er kommt sogar zu einem Selfie mit Maria Isabel angetrottet. Man merkt, dieser Hund ist ebenfalls vollwertiges Mitglied der Community. Wie die anderen hat scheint er einiges mitgemacht zu haben. Jetzt aber genießt er die Sonne und lässt sie sich genüsslich auf den Pelz brennen.

Während Nuno mit den Rotariern spricht, bleibt Cristina etwas zurück. Sie beteiligt sich nicht an den Ausführungen, sondern durchwandert noch einmal in die verbrannte Landschaft und die zerstörten Wohnräume - so als wäre es das erste Mal. Ein Blick in ihr Gesicht zeigt, wie stark sie das Feuer noch immer mitnimmt. Diese herzliche, warme Frau, die jedem das Gefühl gibt, sein Herz bei ihr ausschütten zu können, hat selbst schwer zu tragen.


Ganz verloren wirkt sie zwischen den unzähligen verbrannten Stämmen, die in den Himmel ragen. Ich bin froh, dass sie wenigstens eine gute Unterkunft für sich und ihre Tochter bekommen hat, in der sie bleiben kann, bis die Kommune wieder aufgebaut ist.

Nuno und die Rotarier haben sich derweil abgestimmt und Telefonnumern ausgetauscht, um die Hilfsllieferungen zu planen. Wenn der Rotary Club hier nur halb so schnell unterwegs ist, wie bei den anderen Fällen, dann bin ich sicher, dass auch Água Balsa schnell Hilfe bekommen wird. 

Ich schieße noch ein letztes Beweisfoto, dass Cristina und Nuno ihre Reversible Adventskalender erhalten haben, dann müssen wir auch schon wieder los. Wir setzen Jovita und Maria Isabel noch fix bei ihren Männern am Restaurant ab, wo sie sich ganz lieb von uns verabschieden, und starten dann sofort wieder zum Intermarché in Monchique. Dort sollen wir jetzt ja wie morgens vereinbart Leon treffen, um ihn mit der Spielküche nach Perna da Negra zu bringen. Unterwegs rufe ich Karina an, ob wir uns ebenfalls am Intermarche treffen können, damit ich ihr den Reversible Adventskalender übergeben kann, aber sie ist nun auch krank und so verschieben wir den Besuch auf nach Weihnachten.Wenigstens die von Alina gekauften Geschenke haben die Jungs ja schon letzte Woche bekommen. Mit Emily, die ich persönlich noch gar nicht kenne, vereinbare ich per Whatsapp, dass wir ihre Geschenke bei João und Armanda in Perna da Negra lassen, wo sie diese dann selbst abholen können.

Als wir in Monchique eintreffen, wartet Leon bereits mit Helfer Collin und so bleibt unser ersehnter Snack wieder aus. Aber es hilft ja nichts, also schwingen wir uns wieder in Alinas Auto. Es ist das erste Mal, dass ich die Strecke nicht selbst fahre und so habe ich Gelegenheit, mir die Umgebung auf dem schmalen Weg nach Perna da Negra mal genauer anzuschauen.

Bei João, Armanda und Karin angekommen, erweist es sich erneut als ein Segen, dass ich meinen Mann heute mit dabei habe.  Drei Männer braucht es nämlich, um die massive, handgefertigte Holzküche aus Leons Auto zu wuchten. Drinnen begrüße ich erst einmal Karin und Armanda, die Autora auf dem Arm hat.

Theo sehe ich erst gar nicht, denn er hockt unter dem Tisch und versteckt sich. Fast zeitgleich mit uns trifft auch Familienbesuch ein, weshalb das kleine Haus auf einmal voller Leute ist. Zuviel für den kränkelnden Theo. Wir lassen ihn in Ruhe und ich unterhalte mich ein wenig mit den beiden Frauen. Auch sie fragen sofort nach Alina und ich muss ihnen berichten, dass sie dieses Mal nicht aus Angst vor dem Weg, sondern wegen Krankheit fehlt.


Gemeinsam bewundern wir nun ausgiebig die tolle Küche, die ein englischer Herr selbst gebaut hat. Autora gefällt sie schon einmal sehr gut. Sicher wird Theo sie auch super finden, wenn er wieder gesund ist. Leon und Collin verabschieden sich, Amanda kümmert sich im Schlafzimmer um den kranken Theo und wir bleiben mit Karin im Wohnzimmer, wo wir alle beobachten, wie Autora ihrer Lieblingsbeschäftigung nachgeht: Geschenke auspacken! 


Die kleine Maus freut sich sehr über das piepsende Kinder-IPad, das Alina ausgesucht hat. Auch Armandas Mann João ist inzwischen zu uns gestoßen und begutachtet das Teil.  Dann verschwindet er kurz und kommt mit einem großen Schnapsglas voll Medronho wieder rein, das er uns anbietet. Es ist Selbstgebrannter vom Nachbarn und eine ganz besondere Spezialität der Serra de Monchique. Ich kenne den Erdbeerbaumschnaps und weiß, dass er zu stark für mich ist. Trotzdem nehme ich einen Schluck, um João nicht vor den Kopf zu stoßen. Auch Jojo probiert höflich -  und kapituliert. Wir trinken beide nur sehr selten Alkohol und sind diesem so unschuldig aussehenden Gläschen einfach nicht gewachsen.
João kann über so verweichlichte Trinkgewohnheiten wie unsere nur ungläubig den Kopf schütteln. Er stattet uns trotzdem mit einer ganzen Flasche Medronho als Geschenk aus und übergibt uns auch eine noch größere für Alina. Später stellt Alina fest, dass in der Verpackung ihrer Flasche auch noch ein wunderschöner Traumfänger enthalten war.

In der Zwischenzeit hat Aurora den Reversible Adventskalender entdeckt und fängt auch hier eifrig an, auszupacken. Jack, einer der Hunde im Haushalt, hilft ihr bereitwillig. Bevor sie den ganzen Karton alleine ausräubern, werden die beiden dann aber doch von Karin zurückgehalten. Da es mittlerweile ganz schön spät geworden ist, verabschieden wir uns und machen uns auf den Heimweg - nach einem letzten Stopp beim Intermarché, wo ich noch schnell wenigstens ein Pastel de Nata und eine Sumol-Limonade hole, denn auf der Rückfahrt gibt mir mein Körper dann doch deutlich zu verstehen, dass ich den ganzenTag nichts gegessen und getrunken habe. Wieder begleitet uns ein wunderschöner Sonnenuntergang bei unserer Fahrt hinunter zur Küste.

Bei Alina angekommen, stellen wir fest, dass es ihr schon etwas besser geht und sie brennt natürlich darauf, alles zu erfahren, was wir heute erlebt haben. Ich erstatte ihr Bericht und übergebe ihr meine Notizen zum Tag, damit sie weiß, was ich alles erledigt habe. Nun soll sie sich aber erst einmal erholen und wir alle haben ein paar ruhige Weihnachtstage verdient. In diesem Sinne wünschen wir auch allen anderen ein frohes Weihnachtsfest!


* Den Erlös meines Bildbandes "Ashes & Hope" gebe ich komplett an Alina Stoicas Hilfsprojekt weiter. Ihr könnt ihn entweder über den angegebenen Link über den Anbieter blurb.de kaufen oder direkt bei mir zum Sonderpreis bestellen.

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Kommentare: 1
  • #1

    Fee Lydia (Montag, 30 September 2019 08:08)

    Unfassbar was ihr da tut! Sehr mitreißend geschrieben und wundervolle Fotos!