Hilfe für Monchique -Schicksale: Yuca & Familie

Hier kommt der 2. Teil des Berichtes über Alinas Besuch am 1. September in Monchique. Nach dem schweren Gang zu Monikas und Bernhards Grundstück, bei dem ich sie dieses Mal nicht begleiten konnte, trifft sie Yuca, einen 48jährigen Österreicher, dessen Heim ebenfalls den Flammen zum Opfer gefallen ist. Im Folgenden überlasse ich wieder Alina selbst das Wort, die der Besuch auf dem Picota wirklich zu schaffen gemacht hat.


Yuca & Familie, Corte Pequena

Fotos & Bericht: Alina Stoica

Yucas Kontakt habe ich von Ana Silva, der Tierärztin aus Monchique, bekommen. Auch ihn hat das Schicksal hart getroffen. Ich hatte ihn über Facebook angeschrieben und gefragt, ob ich irgendwie helfen kann. Er bedankte sich, aber im Moment gäbe es nicht viel, was ich tun könne, antwortete er. Das Haus, in dem er mit seiner Frau Daniela und ihrem 2jährigen Sohn Samoa gewohnt habe, sei bis auf die Grundmauern abgebrannt. Während Daniela und der Kleine zu ihrer Familie nach Österreich geflogen sind, ist er bei einem Freund und Nachbar untergekommen. Seinen Hund Alberto, seine Hündin Gina und das einzige Huhn, das den Brand überlebt hat, konnte er mitnehmen. Drei von seinen Katzen, Lui, Lillie und Kimba, hatten Glück und konnten dem Flammenmeer entkommen. Seitdem sind sie jedoch völlig verstört und lassen sich nicht mehr anfassen. Kater Sweedy ist seit der tragischen Nacht verschollen. Jeden Tag fährt Yuca zu den Überresten des Hauses, in dem er noch bis vor wenigen Wochen gewohnt hat, und füllt die Näpfe mit Futter und frischem Wasser auf.

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Dies alles erzählt er mir auf dem Weg zu dem Ort, an dem er jahrelang zuhause war. Sein sympathischer Hund, ein riesiges Fellknäuel, begleitet uns, sitzt brav auf dem Rücksitz und pustet mir seinen warmen Atem ins Ohr. Yucas kleiner Jeep biegt von der Hauptstraße ab in einen holprigen Waldweg. Noch ist bei mir alles in Ordnung. Doch nur wenige Meter später lichtet sich der Wald, der nur noch aus verkohlten Baumstämmen besteht, und ein riesiger Abgrund tut sich vor uns auf. Der Ausblick über die umliegende Landschaft ist grotesk und atemberaubend zugleich. Ich kann mir gut vorstellen, wie wunderschön es hier einst ausgesehen hat, bevor die vernichtenden Flammenzungen das Grün der Natur in ein Meer aus verrußten Felsen und verdorrter Vegetation verwandelt haben.

Foto: Alina Stoica
Foto: Alina Stoica

Der schmale Schotterweg führt steil bergab am Rande des Abgrunds. Mehrmals drehen die Räder von Yucas Jeep durch. Mir wird angst und bange. Nach einigen Metern bitte ich ihn, anzuhalten. Ich schaffe es einfach nicht, weiterzufahren, bitte ihn um Entschuldigung. Dann gehe ich einige Meter zu Fuß, versuche, mich zu beruhigen. Yuca und Alberto steigen ebenfalls aus und folgen mir. Von oben zeigt Yuca mir die Ruine seines abgebrannten Hauses. Ich merke ihm an, dass er enttäuscht ist. Er hätte sich gewünscht, dass ich mir alles aus der Nähe anschaue. Aber er hat Verständnis für meine Panikattacke, redet besänftigend auf mich ein, hält meine Hand. Ich überlege, ob ich über die von Asche bedeckten Felsen hinunterklettere, selbst das wäre mir noch lieber, als mit dem Auto am Abgrund entlang zu balancieren. Doch mir wird schnell klar, dass es zu waghalsig ist.

Foto: Alina Stoica
Foto: Alina Stoica
Foto: Alina Stoica
Foto: Alina Stoica

Ich atme tief durch, spreche mir in Gedanken Mut zu. Dann fasse ich einen Entschluss. Ich nicke Yuca zu. "Ich probiere es. Wir fahren weiter." Er holt das Auto, während ich gemeinsam mit Alberto noch ein Stück weiterlaufe. Jeder Meter, den ich nicht im Auto zurücklegen muss, ist für mich ein Segen. Nach einigen Minuten, in denen ich mich zitternd an den Türgriff kralle, erreichen wir endlich das Grundstück, auf dem Yucas einstiges Zuhause steht - bzw. das, was davon übriggeblieben ist. Er parkt und wir gehen die letzten Meter zu Fuß über steile, schmale Pfade.

Foto: Alina Stoica
Foto: Alina Stoica

Zunächst passieren wir eine weitere verrußte Ruine. Hier habe Freunde von ihm gelebt, erklärt Yuca mir. Markus und Anaïs. Auch von ihrem Schicksal hatte ich gelesen. Von ihrem Haus ist bis auf die Grundmauern nichts mehr übriggeblieben. Nur wenige Meter unterhalb befinden sich die Überreste von Yucas Häuschen. Gänsehaut überzieht meine Arme und Beine, bei dem Anblick der Zerstörung, der sich mir bietet. Auch hier haben die Flammen unaufhaltsam gewütet. Das Dach fehlt, die Mauern sind zum Teil eingestürzt, die einstigen Wohnräume liegen in Schutt und Asche. Einzig das Bad hat den Brand überstanden, erklärt mir Yuca.

Foto: Alina Stoica
Foto: Alina Stoica

Ein sanfter, melodischer Klang reißt mich aus meinen Gedanken. Ich schaue auf und erblicke ein Windspiel, das in der Nachmittagsbrise schaukelt. Es ist an dem Vordach des Hauses angebracht. Kaum zu glauben, dass es von dem Feuer unberührt geblieben ist, genauso wie einige weitere dekorative Stücke. Auch die Hängematte, die zwischen den Bäumen baumelt, ist noch ganz. Die daneben liegenden Palmen dagegen sind völlig verkohlt. Es ist ein skurriles Bild, das sich mir bietet. Yuca zeigt auf die Spielsachen seines Sohnes. Zwei Dreiräder aus Plastik und ein kleines Fahrrad. Auch um sie wurden von den Flammen verschont. Mein Herz zieht sich zusammen.

Foto: Alina SToica
Foto: Alina SToica

Ich folge Yuca in die Trümmer seines Hauses. Mit belegter Stimme erklärt er mir, wie die Räume einst eingerichtet waren. Er versucht positiv zu bleiben, doch in seinem Lächeln erkenne ich tiefen Schmerz. Das Erlebte hat ihn mehr mitgenommen, als er zugeben mag. Dabei sei er, spätestens seit dem viel zu frühen Tod seiner Eltern, Kummer und Leid gewöhnt, sagt er. Sehnsucht liegt in seinem Blick, als er von seinem Sohn und seiner Frau erzählt. Er vermisst sie sehr.

Foto: Alina Stoica
Foto: Alina Stoica
Foto: Alina Stoica
Foto: Alina Stoica

Wir gehen um das Haus herum. Immer wieder erspähe ich Gegenstände, die unversehrt geblieben sind und lebendig inmitten von verkohltem Gras aufleuchten. Ein silberner Buddha, ein weißer Porzellanengel. Ihr Anblick wirkt irgendwie beruhigend und festigt meinen Glauben daran, dass, selbst angesichts dieser verheerenden Katastrophe, eine höhere Macht existiert, die uns beschützt.

Foto: Alina Stoica
Foto: Alina Stoica

Gemeinsam mit Yuca und Alberto laufe ich zu einem kleinen Teich. Fröhlich plätschernd sickert kristallklares Wasser aus einer Naturquelle. Während Yuca die Katzennäpfe auffüllt, nutzt Alberto die Gunst der Stunde und gönnt sich ein Vollbad. Auch ich probiere von dem reinen Quellwasser, es schmeckt kalt und erfrischend.

Foto: Alina Stoica
Foto: Alina Stoica
Foto: Alina Stoica
Foto: Alina Stoica

Auf dem Rückweg zum Auto zeigt Yuca mir seine beiden Wohnmobile. Sie haben den Brand einigermaßen unbeschadet überstanden. Einer von ihnen benötigt neue Reifen und Scheiben, diese sind bei der enormen Hitze geschmolzen. Wenn man die beiden herrichten könnte, könnte man sie als vorübergehende Unterkunft benutzen. Sie in eine Werkstatt bringen und reparieren zu lassen, wäre wie ein „Traum inmitten eines Albtraums“, sagt Yuca. Ich verspreche, ihm dabei zu helfen. Da sich der Transport anhand eines Abschleppwagens als ziemlich schwierig bis unmöglich erweisen dürfte – denn ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, wie ein Abschleppwagen den Weg hier hinunter bewältigen soll – möchte ich versuchen einen Mechaniker zu finden, der beide Wohnmobile erst einmal vor Ort anschaut und ein konkretes Angebot macht.

Foto: Alina Stoica
Foto: Alina Stoica

Wir setzen den Rückweg fort, vorbei an einem abgebrannten Autowrack, von dem bis auf die Karosserie nichts mehr übriggeblieben ist. „Hier ist leider nichts mehr zu retten“, bemerkt Yuca traurig.

Foto: Alina Stoica
Foto: Alina Stoica

Die Fahrt zurück nach Monchique empfinde ich als weniger beängstigend als den Hinweg. Vielleicht liegt es daran, dass der Abgrund auf der anderen Straßenseite liegt, vielleicht habe ich mich inzwischen auch ein wenig an diese steilen Abhänge gewöhnt. Nur einmal, als Yuca auf einer Anhöhe anhält, um mir die Panorama-Aussicht zu zeigen, wird mir erneut ganz mulmig zumute und ich bitte ihn, weiterzufahren.

In Monchique angekommen verabschieden wir uns und ich begebe mich auf den Heimweg nach Carvoeiro. Ich fühle mich ausgelaugt, muss erst einmal die heutigen Ereignisse sortieren und sacken lassen. Bei der Erinnerung an Monika, die vor den Trümmern ihres Heims schluchzend in meinen Armen liegt, muss ich die aufsteigenden Tränen wegblinzeln. Doch dann erhellt ein Lächeln mein Gesicht. Denn so sehr es mich auch berührt, all diese traurigen Schicksale hautnah mitzuerleben, es ist trotzdem ein wunderbares Gefühl zu wissen, dass man helfen kann. Und dafür möchte ich euch allen, die mich dabei so toll unterstützen, vom Herzen danken

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