2 Tage Lissabon: keine Scheu vor Hügeln!

In Lissabon war ich schon etliche Male, zu jeder Jahreszeit, ja ich habe sogar ein halbes Jahr dort gelebt - trotzdem entdecke ich hier immer wieder völlig neue Dinge. Gerade in den letzten Jahren ist Portugals Hauptstadt so richtig aufgeblüht. Die Schöne am Tejo schüttelt entschieden den in Portugal verbreiteteren Hang zum Phlegmatismus ab und setzt der Wirtschaftskrise bunte Streetart sowie eine lebendige Start-up-Szene entgegen. Davon profitieren nicht nur die Bewohner, sondern auch die immer mehr werdenden Besucher. In diesem Beitrag möchte ich dir Inspiration geben, was du als Lissabon-Frischling an einem Wochenende alles sehen kannst.

Beim ersten Besuch in Lissabon dürfen ein paar Klassiker natürlich nicht fehlen. Dazu gehören die Baixa (Unterstadt) rund um den Praça do Comércio, Chiado (Oberstadt) sowie das angrenzende Feierviertel Bairro Alto . Diese drei Viertel liegen direkt nebeneinander, weshalb du sie gut an einem Nachmittag besichtigen kannst. Mach dich aber auf ein paar Aufstiege gefasst!

Der Praça do Comércio,  auch als Terreiro do Paço bekannt, ist beliebt für Veranstaltungen (Silvester!!!) und der ideale Startpunkt für die Erkundung Lissabons. Es gibt eine Metro-Station sowie eine Straßenbahnhaltestelle mit Verbindungen nach Belém (Tram 15, 15 E, 16), zum Rossio (Tram 22/23 + 25/26) nach Alcântara (Tram 19), Ajuda (Tram 18, 18A) und Santos (Tram 9). Auch die historische Touri-Tram und die Hop-on-and-off-Busse halten hier. Deutlich günstiger ist es allerdings mit den normalen Öffentlichen zu fahren.


Wer zum ersten Mal in Lissabon Urlaub macht und nicht so gut zu Fuß ist, für den sind die Touri-Busse recht praktisch. Damit kann man sich für 20-30 Euro pro Person den ganzen Tag durch die Stadt kutschieren lassen, überall aussteigen, wo man möchte, und bekommt einen guten ersten Überblick. Die Sehenswürdigkeiten der Altstadt und die vielen wunderbaren Aussichtspunkte in der Oberstadt verpasst man allerdings. Letztlich erkundet man Lissabon am besten immer noch zu Fuß - damit ist dann das Sportprogramm auch direkt erledigt. Ha!

 

Aber zurück zum Ausgangspunkt: Ein weiterer Aspekt, der für  den Praça do Comércio spricht: Er liegt direkt am Tejo-Ufer. Schau dich hier unbedingt auch einmal um. Oft spielen dort Straßenkünstler, sodass du musikalische Untermalung genießt bei der Betrachtung des Flusses. Nicht zu übersehen sind hier zwei der Wahrzeichen Lissabons: die an die Golden Gate Bridge erinnernde Ponte 25 Abril und die Statue Cristo Rei.

Bei meinem letzten Besuch im September 2017 hatte sich außerdem ein Straßenkünstler mächtig ins Zeug gelegt, das Tejo-Ufer mit bunten Steinfiguren zu verschönern. Man konnte dem Meister live dabei über die Schulter schauen, wir er ketterauchend mit hochkonzentrierter Miene Steine aufschichtete. Allein dieser Anblick war mir ein paar Münzen wert!

Wenn du jetzt mit dem Rücken zum Fluss, am Reiterstandbild vorbei durch den großen Triumphbogen trittst, landest du in der Baixa Pombalina, der Unterstadt. Hier sind die Straßen gerade, alles ist geometrisch ausgerichtet, denn dieser Teil Lissabons wurde nach dem großen Erdbeben 1755 durch den allgegenwärtigen Marquis von Pombal auf dem Reißbrett geplant und wieder aufgebaut. Schau unbedingt nach links und rechts, wenn du die Rua Augusta hinuntergehst, denn in den Seitenstraßen und an den Hausfassaden oberhalb der Geschäfte und Restaurants gibt es viel zu entdecken. Unter anderem siehst du links den berühmten Elevador de Santa Justa, ein Aufzug im Freien, mit dem du von der Unter- in die Oberstadt fahren kannst. Da die Schlange hier meist lang und der Ausblick während der Fahrt begrenzt ist, empfehle ich dir den Aufstieg zu Fuß. Oben angekommen hast du dann ohne anzustehen und kostenlos Zutritt auf die Aussichtsplattform, die den Aufzug mit der Oberstadt verbindet, und genießt so den gleichen Panoramablick.


Einer der schönsten Plätze im Viertel Chiado ist der Largo do Carmo. Lila blühende Jacaranda-Bäume spenden hier Schatten und rahmen einen historischen Brunnen sowie die Ruinen des Convento do Carmo effektvoll ein. Das ehemalige Karmeliter-Kloster aus dem 14. Jahrhundert wurde nach dem großen Erdbeben 1755 nicht wieder vollständig aufgebaut, sondern als "Skelett" erhalten, um dem Unglück zu gedenken. Direkt daneben befindet sich das bis heute bewachte Hauptquartier der Nationalgarde, von wo aus am 25. April 1974 das Ende der Diktatur verkündet wurde. Der kleine Platz ist also in vielerlei Hinsicht historisch aufgeladen und ich bilde mir zumindest ein, das irgendwie zu spüren. Der Largo do Carmo hat jedenfalls in meinen Augen eine ganze besondere Stimmung, wenn man sich darauf einlässt.


Chiado und Bairro Alto sind geprägt von unzähligen Treppen und Plätzen. Immer wieder bleibt man stehen, um zu verschnaufen und entdeckt dadurch unverhofft, wie sich einem erneut eine völlig neue Aussicht bietet. Das ist eine weitere Sache, die ich besonders an Lissabon mag! Oft gerät dabei das Castelo de São Jorge in den Blick. Imposant thront es auf einem Hügel (ja natürlich, NOCH ein Hügel) am Rande des ältesten Teils von Lissabon: der Alfama.

Die Alfama gehört ebenfalls zu den Highlight bei einem Trip nach Lissabon. Enge, steile Kopfsteingassen, melancholische Fadoklänge, urige Häuschen und die bunten alten Trams sorgen für das typische Lisboa-Feeling. Stilecht gelangst du mit der historischen Tram 28 hinauf in die Altstadt. Die Eléctrico 28 fährt zum Beispiel an der Haltestelle Chiado ab. Aber Achtung, diese Tram ist extrem beliebt, da sie durch die bekanntesten Altstadtviertel zuckelt und längst kein Geheimtipp mehr. Dementsprechend sind auch viele Taschendiebe unterwegs. Angenehmer ist die Fahrt am frühen Morgen oder später am Abend. Eine Chance auf die begrenzten Sitzplätze gibt es sonst eher an den Start- und Endhaltestellen Campo Ourique und Martim Moniz. Wenn du nicht die komplette Fahrt machen willst, sondern nur zur Burg rauf und eine Runde durch Alfama spazieren möchtest, steigst du am besten an der Haltestelle Portas do Sol aus.

Der Miradouro (Aussichtspunkt) Portas do Sol gehört zu meinen liebsten Plätzen in Lissabon. Also gönne dir eine Pause, genieße ein leckeres Pastel de Nata mit einem Espresso und lass die Stadt im Sonnenschein auf dich wirken. Da Lissabon mit ziemlich mildem Klima gesegnet ist, hast du ganzjährig gute Chancen, die portugiesische Sonne genießen zu können.


Als Alternative zur oft überfüllten Tram bieten sich seit wenigen Jahren die zahlreichen Tuk-Tuks an. Wie Pilze schossen die bunten Elektromobile auf einmal in Lissabon aus dem Boden und warten nun vor beliebten Sehenswürdigkeiten wie der Se Catedral und Portas do Sol auf Fahrgäste. Mir machen die kleinen Fahrzeuge jedenfalls schon beim Hingucken gute Laune und ich würde sie als eine von vielen guten Entwicklungen der letzten Zeit bezeichnen.

Von Portas do Sol führt eine kleine Treppe durch eine enge Gasse hoch zum Castelo de São Jorge. Diese hat es mir besonders angetan, denn die meisten Touristen, die hoch zur Burg wollen, benutzen die breiteren Straßen. So bist du auf diesem Pfad fast für dich und kannst die vielen Details um dich herum viel besser aufnehmen.


Folgst du der Beschilderung bzw. den Wegweisern auf der Hauswand zur Burg kommst du an einem Straßenkünstler vorbei, der sich sein in Ruinen sein eigenes  kleines Reich errichtet hat. Dazu benötigt er nur Farbe und ... Müll! Seine Arbeitsmaterialien findet er nämlich auf der Straße. Erstaunlich, wie so schöne Dinge aus Sachen entstehen können, die andere wegwerfen!

Von der Burg hat man einen grandiosen Blick über Lissabon - mal wieder! Wenn du die Route genommen hast, die ich bisher beschrieben  habe, kannst du nun voller Stolz auf all die Hügel blicken, die du zuvor erklimmt hast. Wenn das mal nichts ist! Du kannst jetzt vor allem die Ruine des Convento do Carmo in ihrer ganzen Größe sehen.


Die Festungsanlage São Jorge hat aber noch mehr zu bieten als nur die Aussicht auf die Stadt. Sie ist auch selbst ziemlich interessant. Mir hat es vor allem der Garten angetan mit den vielen Pfauen und Katzen. Wie die beiden Spezies hier dauerhaft zusammenleben grenzt schon an ein Wunder, wenn ich daran denke, wie die zahlreichen Kätzchen die Vögel auf Schritt und Tritt belauert haben. Ich könnte dem Treiben stundenlang zusehen.


All die oben beschriebenen Stationen kann man an einem Tag sehen, wenn man eine Stippvisite in den wichtigsten historischen Vierteln machen möchte. Keine Reise nach Lissabon ist jedoch komplett ohne einen Besuch in Belém! Plane dafür also auch mindestens einen halben Tag ein. Da dieser Stadtteil nicht mehr zur Innenstadt zählt, nimmst du am besten die Straßenbahn oder den Bus. Auf dem Weg nach Bélem kannst du prima in Alcântara Halt machen und die angesagte LX Factory besuchen.

Kreative Köpfe, junge Unternehmer, Freelancer, Weltveränderer und Neugierige treffen sich auf dem Gelände der LX Factory. Das ehemalige Fabrikgrundstück im Stadtteil Alcântara ist DER Hipsterspot schlechthin. Hier kannst du nicht nur lecker in einem der vielen Restaurants essen, sondern z. B. auch stundenlang in Cafés diskutieren, ausgefallene Mode und Kunst bewundern, in einem Secondhand-Buchladen stöbern oder sogar einen Pole-Dance-Kurs machen. Das Gelände selbst ist übrigens ein Kunstwerk der besonderen Art, mit vielen Überraschungen, wie zum Beispiel Penisblumenverzierungen auf der öffentlichen Toilette und jede Menge Graffiti-Kunst.


Zudem gibt es wechselnde Ausstellungen und Festivals, denn natürlich feiert man auch hier gerne. In der LX Factory geht es auf jeden Fall nicht 0815 zu und das spricht sich nicht nur innerhalb Portugals herum. Im September 2017 trafen sich rund 500 digitale Nomaden aus 45 Nationen hier zur internationalen Digitalen Nomaden-Konferenz DNX Global. Ich war einer von ihnen. :)

Nun geht es aber weiter nach Belém, wo dich nicht nur die Original Pasteis de Belém erwarten, sondern auch das Hieronymitenkloster (Mosteiro dos Jerónimos) und der Torre de Belém, die beide zum Weltkulturerbe zählen, sowie das Denkmal für die portugiesischen Seefahrer und Entdecker (Padrão dos Descobrimentos). Das Kloster ist ein Paradebeispiel für die Manuelinik, ein wichtiger Stil der portugiesischen Baukunst mit vielen maritimen Elementen, der dir häufig in Portugal begegnet. Eine Besichtigung lohnt sich. Neben den Gebeinen einiger portugiesischer Könige befinden sich im Kloster die Sarkophage der bedeutendsten historischen Persönlichkeiten Portugals: Schriftsteller Fernando Pessoa, Entdecker Vasco da Gama und Nationaldichter Luís de Camões. Alle drei Namen begegnen dir ständig, wenn du in Portugal unterwegs bist.

Wenn du das Kloster - und vielleicht auch eins der Museen in den Seitenflügeln - besichtigt hast, kannst du entweder zurück Richtung Bus bzw. Bahnhaltestelle gehen und in der Confeitaria de Belém ein  oder zwei  warme Blätterteigtörtchen nach dem Originalrezept der Mönche von Belém genießen oder du hebst dir die Pasteis für später auf und gehst weiter Richtung Fluss zum Entdeckerdenkmal. Von dort läufst du dann immer weiter am Fluss entlang Richtung Meer, um zum Torre de Belém zu gelangen. Der reich verzierte Turm sieht einfach zu jeder Jahres- und Tageszeit klasse aus. Ich finde ihn besonders hübsch zur blauen Stunde, wenn langsam die Sterne herauskommen und die warme Beleuchtung des Turms mit dem kühlen Himmel im Kontrast steht.

So, ich hoffe du hast einen guten ersten Eindruck von Lissabon gewonnen. Natürlich gibt es noch viel, viel mehr in Portugals Hauptstadt zu entdecken, zu unternehmen und zu essen! Das würde aber diesen Beitrag sprengen, deshalb beim nächsten Mal mehr.  Die Hauptsache ist: Wenn du heimfliegst und an Lissabon denkst,  wirst du fühlen, was die Portugiesen mit "Saudade" meinen. So geht es mir zumindest immer. Einzige Lösung, um die Sehnsucht zu stillen: Mehr Urlaub in Lissabon!

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Kommentare: 7
  • #1

    Christina (Freitag, 13 Oktober 2017 20:27)

    Toller Beitrag - man möchte gleich weiterleben und alles nochmal selbst erkunden - du schreibst mir aus der Seele. Nachdem ich mich erst in Lissabon als Tourist verliebt habe, habe ich mich in meinen Ehemann aus Cascais verliebt und bin gluecklich Lissabon als meine Heimat anzusehen :) Auch wir versuchen Lissabon zu teilen und vermieten Ferienwohnungen für Gruppen oder Familien. Die Apartments sind wie man sich vorstellen kann nicht weit von den historischen Sights und Tram 28. Vielleicht laufen wir uns in Lissabon mal über den Weg ;-)

  • #2

    Piet Rijnbeek (Sonntag, 15 Oktober 2017 11:01)

    Sehr schön, hoffe das alles in Dezember zu sehen.

  • #3

    Silke von Safetravels.de (Samstag, 23 Dezember 2017 11:16)

    Wow, so schöne Fotos. Ich fühle mich gleich zurück versetzt. Mir hat Lissabon sehr gut gefallen. Eine schöne Stadt, in der man sich beim Herumspazieren wunderbar verlieren kann. Dein Artikel hat noch ein paar Tipps für unser nächstes Mal :-)
    LG

  • #4

    Anne von travellersarchive.de (Mittwoch, 11 April 2018 18:12)

    Hach, Lissabon :-) Ich habe mich total in die Stadt verliebt. Hier ist einfach jede Gasse wunderschön! Schade nur, dass jetzt so viele Touristen nach Portugal reisen...

  • #5

    Gudrun (Mittwoch, 13 Juni 2018 14:13)

    Lissabon ist eine Stadt, die man immer und immer wieder besuchen kann. Die Stadt hat sowas magisches!

  • #6

    Maike (Dienstag, 18 Februar 2020 12:39)

    Toller Bericht! Das waren in etwa auch die Orte, die wir in Lissabon angesteuert haben. Den Miradouro Portas do Sol und die Street Art in den Ruinen auf dem Weg zur Burg haben wir leider verpasst. Schade, sieht nämlich beides richtig toll aus!

  • #7

    WellSpa (Mittwoch, 19 Februar 2020 18:06)

    Lissabon steht schon so lange auf meiner Reiseliste, doch irgendwie habe ich es noch nie auf das portugisische Festland geschafft.
    deine tollen Bilder machen richtig Lust und ich bin sicher, ich werde es irgendwann mal schaffen :-)
    Danke für die tollen Tipps.
    Liebe Grüße, Katja